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Die Blütenfrau

Die Blütenfrau

Titel: Die Blütenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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lange! «…   nehme ich mit.»
    Kerstin packte demonstrativ gelassen die Unterlagen zusammen und ging Richtung Tür. «Ich hänge das Ergebnisdann mal ins Sitzungszimmer, okay? Wenn noch Fragen sind, ihr wisst ja, wo ihr mich finden könnt.»
    Sie war schon fast zur Tür. «Halt, Kerstin, warte noch!»
    Täuschte Wencke sich, oder war in der Bewegung, mit der sich diese Frau jetzt umdrehte, so eine ungute Mischung aus Genugtuung und Gereiztheit auszumachen?
    «Was gibt’s noch?»
    «Ich hab doch gestern eine Katze zu euch ins Labor gebracht   …»
    «Meine Güte, Wencke, als hätten wir nicht genug zu tun. Das süße Ding ist überfahren worden, ja, schade. Aber ich würde trotzdem lieber erst den perversen Mörder von Allegra Sendhorst finden, bevor ich mich mit diesem Unglücksfall beschäftige.»
    Wencke versuchte, mit keiner Wimper zu zucken. «Ich habe aber das Gefühl, dass die beiden Sachen etwas miteinander zu tun haben.»
    «Intuition?» Es war nicht zu übersehen: Axel Sanders Verlobte glaubte ihr kein Wort. Aber das war ihr im Grunde genommen auch egal. Schließlich war sie es, die hier die Ermittlungen leitete. Da konnte Kerstin Spangemann noch so wichtig gucken.
    «Ich möchte das Untersuchungsergebnis dieser toten Katze. Und zwar bis heute Mittag um zwölf!»

15.
    White Chestnut
(Rosskastanie oder weiße Kastanie)
    Botanischer Name: AESCULUS HIPPOCASTANUM
    Die Blüte für Menschen, denen immer dieselben Gedanken im Kopf kreisen und die zu Selbstgesprächen neigen
     
    An diesem Morgen hatte Gernot Vanmeer einen langen Spaziergang gemacht. Er brauchte Ruhe und Bewegung, um seine kreisenden Gedanken in einem halbwegs gleichmäßigen Tempo zu halten. Einerseits war er stolz auf sich selbst, dass er gestern so konsequent gehandelt und den Weg hier auf diese Insel gefunden hatte. Andererseits hatte er Angst; Angst vor diesem Tag, der ihn mit seiner Vergangenheit konfrontieren würde. Oder mit seiner Zukunft.
    Auf seinem Weg Richtung Inseldorf kam er an einem Tor vorbei. Dahinter konnte man ein kleines Stück vom Dünenfriedhof erspähen. Die wenigen Grabsteine in fünf oder sechs Reihen hatten etwas Rührendes, dachte Gernot. Es sterben anscheinend nur wenige Menschen auf Spiekeroog, aber es leben wahrscheinlich auch nicht allzu viele hier.
    Die Hauptsaison begann erst in einer Woche, weshalb er gestern Abend noch problemlos ein Zimmer bekommen hatte. Ein Einzelbett mit Aquarellbild über dem Schreibtisch und ein Schrank mit zwei Schubladen, in die er nichts packen konnte, weil er schließlich ganz ohne Gepäck zur Insel gefahren war. Nur das Nötigste   – Zahnbürste und Zahnpasta, einen Kamm   –, mehr hatte er in der kleinen Drogerie in der Nähe der Inselkirche nicht gekauft. Dann war er früh schlafengegangen. Der gestrige Tag, dieser Kampf mit dem freien Willen, er hatte ihm zugesetzt. Und hier auf Spiekeroog war es wunderbar still. Sicher, er hatte etwas Wichtiges vor auf der Insel, aber gestern hätte er nicht die Kraft dazu gehabt. Heute, nach zehn Stunden Schlaf, fühlte er sich stärker.
    Das Haus, in dem er untergebracht war, hieß wie die freundliche Vermieterin «Michaelis» und lag etwas weiter außerhalb in der Nähe des Kurparks. Die Straße hatte einen klangvollen Namen: Wittdün – weiße Düne. Auch wenn in Wirklichkeit die Dünen ringsherum eher grün oder beige waren. Zum Frühstück gab es warme Brötchen, Tee oder Kaffee, selbst gemachte Brombeer- und Sanddornmarmelade, dazu auf Wunsch ein hart gekochtes Ei. Eigentlich hatte er sich anschließend ein Fahrrad mieten wollen – wann war er eigentlich das letzte Mal Fahrrad gefahren?   –, aber so etwas gab es hier nicht. Alle Fremden auf der Insel liefen zu Fuß. Wahrscheinlich, weil die Zeit hier im Überfluss vorhanden war. Und weil man sich beim Spazierengehen wunderbar erholte. Alles war so hübsch hier. Wie in einem Bilderbuch über ostfriesische Inseln. Ein Souvenirladen neben dem anderen. Es gab gewaltige Muscheln, die mit Sicherheit eher aus dem Pazifik als aus der Nordsee gefischt wurden. Unzählige Leuchttürme, groß und blau oder klein und rot, mit Kabel und Lampe, mit Platz für ein Teelicht, aus Holz oder Porzellan. Gernot überlegte, etwas für Griet und Esther zu kaufen. Mitbringsel für   …, ja, für wen eigentlich? Für seine neue Familie? Konnte oder durfte er die beiden überhaupt so nennen? Gernot seufzte. Er hätte doch nichts dagegen, wenn es so wäre, wenn er einfach in den Krimskramsladen gehen

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