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Die Blütenfrau

Die Blütenfrau

Titel: Die Blütenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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gehabt. So etwas in der Art von: «Wenn einer so gern über schmutzige Themen spricht, dann hat er wahrscheinlich selber Dreck am Stecken.» Das hätte sie vermutlich gesagt.
    Kerstin fühlte sich oft überrumpelt von Wenckes Schlagfertigkeit. Sie erinnerte sich noch gut an den Kommentar, mit dem ihr die Kommissarin vorhin das überfahrene Tier zur Untersuchung ins Labor brachte: «Wenn ihr immer nur das unter die Lupe nehmt, was euch die Verbrecher quasi auf dem Tablett servieren, und behauptet, ihr hättet alle Indizien in einem Fall registriert – dann könnt ihr genauso gut ein Sandkorn fotografieren und behaupten, ihr hättet die Sahara abgelichtet.» Obwohl Kerstin dieser Spruch keineswegs davon überzeugen konnte, dass dieses platte Tier etwas mit dem Mordfall zu tun hatte, war ihr leider keine knackige Antwort eingefallen.
    Ricarda verlangte noch einen Schluck Wasser, noch ein Küsschen und eine zweite Gute-Nacht-Geschichte. Dann schien sie endlich Ruhe zu geben.
    Wenig später ließ Kerstin sich neben Axel aufs Sofa fallen. Inzwischen lief der Bericht über den U S-Präsidenten und seine neuesten Pläne.
    «Was hat sie eigentlich gesagt?»
    «Wer?», fragte Axel, obwohl er bestimmt wusste, dass Kerstin an das unterbrochene Gespräch von vorhin anknüpfte. Immer stellte er sich so merkwürdig dumm, wenn es um
sie
ging. Statt einer überflüssigen Antwort nahm Kerstin lieber einen Schluck aus ihrem Glas.
    Axel tat so, als verfolge er interessiert, was der amerikanische Verteidigungsminister von sich gab. «Nichts hat sie gesagt.»
    «Oh, dann ist es schlimm.»
    «Wie, dann ist es schlimm?» Sie schauten sich nicht an beim Sprechen, sondern starrten beide auf die Mattscheibe und verzogen keine Miene.
    «Wenn Wencke mal ausnahmsweise keinen Spruch loslässt, dann ist sie schwer getroffen.» Kerstin gab sich keine Mühe, die Gehässigkeit in ihrer Stimme zu verbergen.
    «Ich bitte dich. Geht das jetzt schon wieder los? Ich dachte, wir hätten dieses Thema endgültig durch. Schau, wir wohnen zusammen, wir schlafen zusammen, und wir werden in drei Monaten heiraten», er legte den Arm um ihre schmalen Schultern und zog sie an sich. «Worüber regst du dich also auf?»
    «Es ist doch klar: Wenn für Wencke das Thema so abgehakt wäre wie für dich, dann hätte sie dir heute Vormittag gratuliert oder einen ihrer Kommentare abgelassen. Aber sie hat geschwiegen, also ist ihr unsere Beziehung höchstwahrscheinlich gar nicht so gleichgültig. Ich möchte wetten, sie liebt dich noch immer.»
    «Quatsch!»
    Der Nachrichtensprecher machte ein ernstes Gesicht, und das Konfirmationsbild von Allegra Sendhorst erschien im Hintergrund.
    «Kein Quatsch!», sagte Kerstin.
    «Psst!», machte Axel Sanders, zog den Arm zurück und lehnte sich nach vorn.

13.
    Ich möchte wetten, sie ist nicht älter als dreizehn. Sie sieht wie ein Inselkind aus, bewegt sich so, als kenne sie hier jeden Stein. Sie wirkt so sorgenfrei und ungezwungen, als wäre ihr noch nie im Leben Schaden zugefügt worden.
    Sie muss im Watt gewesen sein. Die Hosenbeine ihrer Jeans sind aufgekrempelt, und bis zu den Knöcheln sieht es aus, als trage sie graue Socken. Auf ihrem grellgrünen T-Shirt zeichnen schlammige Streifen ein ungewöhnliches Muster. Erst wenn man genauer hinschaut, erkennt man, es ist Schlick, getrockneter Meeresschlamm, der an ihr haftet. Als sie näher kommt, nehme ich den salzigen Geruch wahr.
    Mein Herz ist heute wieder so gemein zu mir. Es pumpt und pumpt; ich habe das Gefühl, es pumpt mich auf wie einen Ballon. Alles an mir schwillt an, bis es fast schon wehtut.
    Ich dachte, nun wäre es erst einmal gut, aber da habe ich mich wohl getäuscht. Ich habe mir selbst etwas vorgemacht. Es kommt mir beinahe so vor, als sei es sogar noch schlimmer geworden seit gestern. Und schon da war es unerträglich gewesen.
    Ich höre, wie sie lacht. Ganz allein lacht sie vor sich hin, als habe sie sich soeben einen Witz erzählt.
    «Was ist so lustig?», frage ich sie.
    «Ich hab nur gerade an etwas gedacht.»
    «Und an was, wenn ich fragen darf?»
    «Sag ich nicht!»
    Es wird nicht so leicht sein wie gestern, als ich die kleine schwarze Katze dabei hatte. Nun habe ich nur dieses Glas in meiner Jackentasche, und mit dessen Inhalt kann man wohl kaum kleine hübsche Mädchen ins Gebüsch locken.
    Doch es gibt auch einen Vorteil. Die heile Welt dieser idyllischen Insel. Ein Ferienparadies für Jung und Alt, gefahrlose Freiheit zwischen Dünen und Deich – so

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