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Die Blütenfrau

Die Blütenfrau

Titel: Die Blütenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Kollegen im Nebenzimmer zu. Keine Reaktion. Er hörte oft über Kopfhörer Musik bei der Arbeit. «Holger!», brüllte sie.
    Augenblicklich erschien er im Zimmer. Kerstin war sonst nie dermaßen laut, er musste sich erschreckt haben. «Um Himmels willen, was ist denn los?»
    «Dieses Blut auf den Schuhen, könnte es Katzenblut sein?»
    «AS307?»
    «Ja. Schau bitte sofort nach!»
    Der Praktikant kam herein, mit seinem üblichen ratlosen Blick. «Komisch, dieses Tier   …»
    «Was ist damit?»
    «Ich meine, ihr seid ja die Experten, aber ich glaube, die Mietze ist von einem Fahrrad überrollt worden. Habe extra nochmal zum Vergleich Bilder von anderen Straßenunfällen daneben gehalten, aber so schmale Quetschungen   … ne, so ein Auto gibt’s nicht.»
    Kerstin spürte, dies war wieder so ein Moment. Ein Moment, für den sich der ganze Mist lohnte. Normalerweise stellte sich dann ein Hochgefühl ein. Heute blieb es aber aus. Es war zu ärgerlich, dass Wencke Tydmers – wie auch immer sie das machte – schon viel eher geahnt hatte, dass Spur Nummer AS247 ein Knaller war.
    Sie kannte die Durchwahl von Wenckes Telefon auswendig. «Ich bin es, Kerstin.» Sie würde es kurz und schmerzlos machen. Sie würde dieser Frau keine Gelegenheit bieten, ihre Genugtuung via Telefonleitung kundzutun. Auf keinen Fall.
    «Und?»
    «Alles sieht danach aus, als habe Allegra Sendhorst die kleine Katze mit dem Fahrrad überrollt. Und zwar nicht auf dem Hof der Thedingas, sondern in der Nähe des Schwanenteichs. Das ausführlichere Protokoll bekommst du so bald wie möglich.»
    So, es war gesagt.
    «Danke, Kerstin. Gute Arbeit.»

20.
    Vervain
(Eisenkraut)
    Botanischer Name: VERBENA OFFICINALIS
    Blüte für Menschen, die sich keine ruhige Minute gönnen können und sich stets von Feuereifer getrieben fühlen
     
    Normalerweise hätte ein ganzes Gebirge, wahrscheinlich der gesamte Himalaja plus die anderen Achttausendergipfel dieser Welt, mit Riesengetöse von Wenckes Herz fallen müssen.
    Aber alles blieb still.
    Nur dreißig Stunden nach Auffinden der toten Allegra Sendhorst schien der Verdacht so konkret auszufallen wie aus einem Lehrbuch für Detektive, wenn es denn so eines gäbe.
    Polizeiarbeit war im Grunde genommen die Vorleistung für den Staatsanwalt. Man lieferte der Justiz eine möglichst nahtlose Indizienkette, damit die Bösewichte umgehend hinter Schloss und Riegel verschwinden konnten. Und eine solche nahtlose Indizienkette schien sich nun um ein Uhr mittags vor ihnen auszubreiten.
    Schlag auf Schlag waren ihre Glieder zusammengefügt worden.
    Das Kätzchen vom Thedinga-Hof war im direkten Umfeld des Schwanenteiches von Allegra Sendhorsts Fahrrad überrollt worden. Die Blutspritzer auf ihren Schuhen verrieten, dass sie selbst auf dem Sattel gesessen haben musste. Da jedem bekannt war, wie sehr das Mädchen für kleine Tiere geschwärmt hatte – so heftig, dass sie sogar ihre Gesundheit und den häuslichen Frieden aufs Spiel gesetzt hatte   –, warklar, sie musste zu dieser Tat gezwungen worden sein. Schnell war Wencke der Bauernsohn in den Sinn gekommen. Nicht zuletzt da dieser Dr.   Erb vorhin erwähnt hatte, dass der Täter auch schon durch Tierquälerei in Erscheinung getreten sein könnte, hatte sie an Bauer Thedinga gedacht, vor allem an seinen Satz: «Hanno hat es nicht so mit Tieren.»
    Gut, vielleicht hatte das Mädchen heimlich ein Tier mitgenommen, aus lauter Vernarrtheit, das konnte sein. Aber die tote Katze, von Allegra überrollt, war im Postkasten abgelegt worden. Jemand hatte den Kadaver also wieder mit zurück zum Hof gebracht und sich dann diesen abartigen Scherz geleistet. Und wer – außer Hanno Thedinga – sollte sonst diesen Weg genommen haben und wissen, woher die kleine Katze stammte?
    Axel Sanders hatte sich schnell um die entsprechenden Daten bemüht. Wencke las das Ergebnis, welches auf ihrem immer noch aufgeräumten Schreibtisch lag, gerade zum zweiten Mal durch:
    Hanno Thedinga wurde geboren als Hanno Freeken. Bis er fünf Jahre alt war, lebte er bei seinen leiblichen Eltern im Emsland. Das Jugendamt Aschendorf holte ihn wegen schwerer körperlicher und seelischer Misshandlung zu seinem eigenen Schutz aus der Familie. Nach kurzem Aufenthalt in einem Heim wurde er zur Pflegefamilie Thedinga vermittelt, die ihn drei Jahre später adoptierte. Einige Jahre blieb H.T. verhaltensunauffällig, auch wenn das Verhältnis zu seinen Adoptiveltern nicht unproblematisch war. Mit sechzehn wurde er

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