Die Blütenfrau
Seufzer. «Also dann sollten wir packen.» Er stand auf, ohne dabei einen besonders tatkräftigen Eindruck zu machen. Aber immerhin ging er Richtung Tür.
«Keine Angst wegen deiner Liebsten. Ich habe vor, sie mit unserem freundlichen Besucher zu verkuppeln, damit sie uns beide auf der Insel in Ruhe lassen.»
«Bitte?» Axel blieb sehr abrupt stehen, und Wencke musste lachen.
«Du scheinst deinen Humor aber auch beim Juwelier verscherbelt zu haben, als du die Verlobungsringe gekauft hast.»
«Was soll denn das, Wencke? Ich habe dir eben gesagt, estut mir leid. Sicher, ich hätte es dir vor allen anderen Kollegen erzählen müssen, sollen, können …, was weiß ich denn. Aber was du hier seit gestern abziehst, grenzt an Mobbing.»
«Wer mobbt hier wen?»
Axel schaute sie jetzt direkt an, und tatsächlich, er machte nicht den Eindruck, dass er zu Scherzen aufgelegt war. Hatte Wencke es tatsächlich übertrieben?
«Du schikanierst Kerstin vor ihren Kollegen.»
«Sie sollte die Katze bis Mittag untersucht haben, und wie sich herausgestellt hat, machte meine Tempovorgabe ja auch Sinn.»
«Du gibst mir die miesesten Jobs …»
«Hey, mit mir nach Spiekeroog zu fahren hätte dich vor nicht allzu langer Zeit aber noch sehr glücklich gemacht.»
«Ich meine das Protokollieren am Schwanenteich, und das weißt du auch.»
Wencke beließ es beim Schulterzucken. Doch Axel holte erneut aus.
«Du fährst mit mir allein auf die Insel und verdonnerst Kerstin dazu, mit diesem Psychomann zum x-ten Mal die Spuren durchzugehen. Ich nenne das Schikane!»
«Ach ja?» Wencke räumte weiter ihre Tasche ein. Ganz langsam, ganz gelassen. «Ich nenne das: Arbeitsteilung in einem verdammt wichtigen Fall. Ich platziere meine besten Leute an den anspruchsvollen Stellen.»
«Was ist denn so anspruchsvoll daran, mit diesem Dr. Erb die Akten zu sezieren? Kerstin ist eine brillante Laborantin, eine akribische Fachfrau vor Ort.»
«Und sie ist die Einzige, der ich zutraue, mit Dr. Tillmann Erb umzugehen. Ich habe dir eben schon gesagt, er soll nichts erfahren von der toten Katze und auch nicht von Hanno Thedingas Vorstrafenregister. Kerstin soll ihm nur die Indizien vorlegen, die wir bis gestern Abend hatten.»
«Nur staubtrockene Zeugenaussagen, kleinen Firlefanz vom Schwanenteich und so? Aber warum?»
«Er ist völlig überzeugt davon, sich allein durch Indizien in das Psychogramm eines Täters hineindenken zu können. Ganz der hochgelobte Experte auf dem Gebiet der Sexualpathologie mit Ausbildung in dieser amerikanischen Dingsbums-Academy …»
«Quantico? Dr. Erb ist beim FBI in die Lehre gegangen? Alle Achtung!»
«Na also. Aber er soll sich auf Gernot Huckler konzentrieren und helfen, den Verdacht gegen ihn endgültig aus dem Weg zu räumen. Dann hätte nicht nur die Familie Vanmeer ihre Ruhe, sondern auch wir würden in Zukunft vielleicht vom GHP verschont bleiben.»
«Aber Dr. Erb kann sicher noch viel mehr für uns tun. In den USA arbeitet die Kripo ganz eng mit den Fallanalytikern zusammen. Warum sollen wir das nicht auch tun?»
«Weil ich bei ihm ein ungutes Gefühl habe. Aber vielleicht führen ihn die Spuren vom Tatort auf dieselbe Fährte, der wir schon längst nachgehen. Dann würden wir ja quasi zusammenarbeiten und wären so etwas wie ein Team.»
«Und bis dahin?»
«Auf zur Insel.»
21.
Cherry-Plum
(Kirsch-Pflaume)
Botanischer Name: PRUNUS CERASIFERA
Blüte für Menschen, die Angst haben, verrückt oder gewalttätig zu werden.
«Warum sind Sie hierhergekommen?», fragte Hanno Thedinga.
Gernot hatte darauf bestanden, in der Mittagspause einen gemeinsamen Spaziergang zu machen. Erst um fünf musste der junge Mann wieder Kaffee und Tee servieren. Komisch war, dass er nicht wirklich gezögert hatte, diese Einladung anzunehmen. Gernot wertete dies als Zeichen, dass auch von seiner Seite Gesprächsbedarf bestand. Vielleicht hatte Hanno Thedinga etwas auf dem Herzen? Denn dass er ein Herz hatte, trotz allem, was in seinem Kopf vorging, da war sich Gernot sicher. Hanno musste es vielleicht nur erst selbst wieder entdecken. Und dabei wollte er ihm helfen.
Es war geradezu drückend heiß, zumindest kam es Gernot so vor. Er schwitzte aus allen Poren und hatte sich die Sommerjacke um die Hüften gebunden. Sie hatten sich für einen Fußweg durch die westlichen Dünen entschieden, hier waren sie weitestgehend ungestört. Hinter den sanften Hügeln sah man die roten Dächer des Inseldorfes,
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