Die Blütenfrau
kein Problem sein. Frau Vanmeer ist mir bekannt, ja, ich würde sogar behaupten: fast schon vertraut. Und wenn sie ihren Mann entlasten kann, weil er kein entsprechendes Kleidungsstück besitzt, dann wird sie es sicher gerne tun.»
Selbst Riemer war da skeptisch: «Die Hose könnte er genauso gut am Leib oder in seinem Reisegepäck tragen. Wenn wir in seinem Haus nichts finden, beweist das gar nichts.»
«Aber wenn wir etwas finden …», begann der Praktikant, für den der Tag heute sicher einer der aufregendsten in seinem noch jungen Berufsleben in der Abteilung für Spurensicherung bedeuten mochte.
«Ich bin mir ja nahezu sicher, dass dem nicht so ist», Dr. Erb rutschte von der Tischkante und kramte einen Autoschlüssel aus der Jackentasche. «Aber ich stelle gerne meinen Wagen zur Verfügung. Wer kommt mit?»
Eine überflüssige Frage. Kerstin packte resigniert ihre Tasche, denn es war ohnehin klar, dass nur sie für diesen Auftragin Frage kam. Wencke hatte vor ihrer Abreise konkrete Anweisungen gegeben. «Aber ich möchte danach direkt nach Hause fahren dürfen.»
Riemer nickte, woraufhin Dr. Erb eine einladende Geste machte. Und der Praktikant hob eine Hand, um irgendetwas zwischen Daumendrücken und Hals- und Beinbruch zum Ausdruck zu bringen. Lauter gönnerhafte Kollegen.
Eine knappe halbe Stunde fuhren sie in Erbs hochklassigem Mercedes durch ostfriesische Orte. Dummerweise hatte Kerstin den Fehler begangen, Erb nach seinem Einsatz beim Webcam-Skandal zu fragen. Nicht wirklich aus Interesse, schließlich erschlug einen das Thema seit Wochen in der Presse. Sie fragte mehr aus Verlegenheit, außerdem war sie es leid, andauernd aufpassen zu müssen, was sie dem Psychologen erzählte und was nicht. Doch es war ein Trugschluss, denn was Kerstin nun zu hören bekam, war nicht weniger anstrengend. Der Redeschwall dauerte nun schon bis Georgsheil und handelte nur davon, was für ein tadelloser Politiker und hingebungsvoller Landesvater dieser Wolfgang Ulferts doch in jeder Hinsicht sei.
«Aber die Sache mit diesen Callgirls …», versuchte Kerstin ihn zu provozieren.
«Ich halte die Fotos für eine Fälschung, und noch nicht einmal eine besonders gute, wenn Sie mich fragen. Der Mann auf den Bildern hat eine ganz andere Körperhaltung, das war überhaupt nicht zu übersehen.» Kleine Pausen in seinem Vortrag gab es nur, wenn Erb Luft holen musste. «Ulferts ist ein aufrichtiger Mann in jeder Beziehung, und dieser Typ auf den Fotos hatte geradezu einen Buckel. Ich würde meine Hand ins Feuer legen für diesen Mann, er …»
Die Lobeshymnen – sie umfassten alle Themen von A wie Arbeitslosigkeit bis Z wie Zentralabitur und wie gut Ulferts das doch während seiner Legislaturperiode in den Griff bekommenhätte – dauerten bis hinter Marienhafe. Nein, er glaube nicht, dass ein so anständiger Mann und seriöser Politiker auf Staatsbesuchen leichte Mädchen in seine Hotelsuiten schmuggelte. Niemals. Alles Verleumdungen, um seine Wiederwahl zu verhindern, das wäre doch wohl glasklar. Dann schwieg Erb zum Glück bis zur Ortseinfahrt Norden. Kerstin war auf die glorreiche Idee gekommen, ein paar SMS zu verschicken, an ihre Mutter, an Axel und an eine gute Bekannte. Während sie tippte, war Erb tatsächlich verstummt, deswegen machte sie weiter, bis sich sein Navigator zu Wort meldete und das Auto durch die kleine Stadt lotste. Sie parkten in der Nähe der Rosenthallohne und stiegen aus. Erb ging schnellen Schrittes voran, drückte die Klingel und richtete seinen Hemdkragen im Spiegelbild der gläsernen Haustür.
«Frau Vanmeer?», begrüßte er die Frau, die ihnen kurz darauf die Tür öffnete. Erb strahlte sie mit einem Lächeln an, welches auch gut zu einem Strauß roter Rosen gepasst hätte. «Erinnern Sie sich an mich? Gut sehen Sie aus, sehr gut!»
Die Gestalt in der Tür sah eigentlich überhaupt nicht gut aus, fand Kerstin. Eher krank und unausgeschlafen. Wie unsensibel dieser Mann mit Komplimenten um sich warf. Frau Vanmeer schien auch nicht im Geringsten geschmeichelt, stattdessen blickte sie von Erb zu Kerstin und wieder zurück. «Dr. Erb? Was machen Sie denn hier? Ist etwas mit Gernot? Haben Sie ihn gefunden?»
«Äh, nein, aber als ich hörte, dass er mit diesem Mädchenmord in Verbindung gebracht wird, bin ich so schnell wie möglich hierhergekommen. Schließlich fühle ich mich doch irgendwie involviert in diese Geschichte. Und ich möchte Ihnen versichern, dass ich nicht
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