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Die Blütenfrau

Die Blütenfrau

Titel: Die Blütenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Auf den ersten Blick mochte er ein freundlicher, gemütlicher Typ sein, ja, aber wenn man es wagte, seine kleine Inselidylle infrage zu stellen, änderte sich seine Laune anscheinend schlagartig.
    Wie viel schlauer waren sie jetzt eigentlich wirklich?, fragte sich Wencke. Auch Axel schaute verunsichert in der Gegend herum. Die Katze, das Fell im Reifenprofil, das Psychogramm – das konnte kein Zufall sein. Und sie hatten keine Zeit zu verlieren. Nicht eine Sekunde. Wer weiß, vielleicht hatte Hanno Thedinga sich krank gemeldet, weil er dabei war, ein weiteres Verbrechen zu begehen, oder – Gott bewahre – ein bereits begangenes Verbrechen zu vertuschen.
    Wenckes Handy klingelte im selben Moment, als ein junger Mann in der Seitentür erschien. Es war ein attraktiver Bursche mit vollkommener Unschuldsmiene. Und der sollte Hühner bei lebendigem Leib   …? Es schien unmöglich.
    «Sie haben nach mir gefragt?» Die zur Begrüßung ausgestreckte Hand war am Gelenk mit einer Mullbinde umwickelt. «Es ist wegen des Mädchens aus Norden, stimmt’s? Hab ich doch schon gesagt, die ist um sechs los.»
    «Wir nehmen an, dass Sie der Letzte waren, der sie lebend gesehen hat.»
    «Na, das war doch wohl eher der Mörder, oder nicht?» DieGegenfrage kam wie aus der Hüfte geschossen, als hätte er den Satz bereits parat gehabt. Genau wie den nächsten: «Ich glaub ja, dieser Kinderschänder hat was damit zu tun, dieser Huckler.»
    Das Handyklingeln dauerte an.
    «Du entschuldigst kurz?», sagte Wencke in Axels Richtung. Dann wandte sie sich ab. Pal war am Apparat. Sie klang aufgeregt.
    «Die Kollegen aus Wittmund haben angerufen.»
    «Wegen Allegra Sendhorst?»
    «Indirekt ja. Es ging aber eigentlich um ein Verkehrsdelikt.»
    «Schieß schon los, Pal!»
    «Die haben gestern Abend ein Motorrad abgeschleppt. Stand im Hafenbereich in Neuharlingersiel.»
    «Und?»
    «Als sich bis heute Mittag keiner gemeldet hat, haben sie das Kennzeichen überprüft. Die Maschine gehört   … aber nein, rate mal, du kannst das doch immer so gut.»
    Wenckes Hirn hatte bereits die Fäden verknüpft. Sie kannte nur einen, der zurzeit mit dem Motorrad unterwegs war. «Gernot Huckler ist hier auf Spiekeroog!»
    «Das könnte es bedeuten. Zumindest hat er das Motorrad ungefähr zu der Zeit dort geparkt, als die letzte Fähre zur Insel ging, so viel steht schon mal fest. Die Parkplätze werden nämlich stündlich kontrolliert, weil sich viele Inselbesucher die Gebühr der entsprechenden Langzeitstellflächen sparen wollen.»
    «Danke, Pal!» Wencke beendete das Telefonat. Sie konnte es nicht fassen. Sollte Gernot Huckler tatsächlich auf der Insel sein?
    Brockelsen hatte das Gespräch mit angehört, und ihm war Wenckes heftige Reaktion anscheinend nicht entgangen.«Wer ist denn dieser Gernot Huckler?», flüsterte er nicht ohne Neugierde.
    Wencke schaute ihn mit großen Augen an. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals derart aus dem Konzept geworfen worden zu sein. Gernot Huckler, der Mann, den sie für ein paar Stunden bereits entlastet geglaubt hatte, warf sich mit voller Wucht in den Fall zurück. Sie legte einen Finger auf die Lippen und versuchte dem Polizisten klarzumachen, dass diese Neuigkeit wirklich nicht für alle Ohren bestimmt war. «Brockelsen, würden Sie sich kurz um Thedinga kümmern? Ich habe etwas mit meinem Kollegen zu besprechen.»
    «Was soll ich ihn denn fragen?»
    «Meine Güte. Sagten Sie nicht, Sie tun seit zwanzig Jahren Dienst hier? Fragen Sie, was Sie wollen, meinetwegen, ob er schon mal unerlaubterweise im Naturschutzgebiet unterwegs war.»
    «Aber das fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich, das ist Sache des Landesbetriebes für Küstenschutz   …»
    Wencke ließ ihn stehen, fasste Axel am Ärmel und zog ihn fünf Schritte weiter in eine kleine Seitengasse.
    «Gernot Huckler is back! Er befindet sich höchstwahrscheinlich ebenfalls auf Spiekeroog.»
    Axel brauchte ein paar Atemzüge, bis er begriff. «Das kann doch kein Zufall sein.»
    «Recht hast du. Vielleicht suchen wir ja gar nicht nach
einem
Mann   …»
    «Du glaubst, die beiden sind Komplizen?»
    War es das? Glaubte Wencke das wirklich? «Es wäre doch immerhin möglich,   … nein, es ist sogar mehr als wahrscheinlich, dass die beiden sich kennen. Immerhin empfängt Esther Vanmeer ihre Patienten in ihrem Privathaus, und Hanno Thedinga war bei ihr in Behandlung.»
    Axel nickte schwach. «Und was hat das dann zu bedeuten?»Er schaute wieder auf die Uhr.

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