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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Sherman
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ihm gesagt, und zu alt für Schröpfköpfe. Aber er wollte zur Ader gelassen werden. Er wollte zur Ader gelassen werden und ist daran gestorben. Der Herr sei mir gnädig – was wird der König dazu sagen?«
    »Dass Lord Roylance ein alter Mann war, dessen Zeit gekommen ist«, beruhigte ihn William. »Niemand wird auch nur daran denken, Euch für seinen Tod verantwortlich zu machen, guter Doktor.«
    »Ich weiß, was du sagen willst, junger Mann.« Der Arzt ließ die Orange fallen und rang die Hände. »Jugend und Stärke sterben überall um uns herum. Was zählt da der Tod eines einzelnen alten Mannes? Leider hast du Recht. Aber er war schließlich der königliche Haushofmeister – Gott gebe seiner Seele Frieden –, und es ist viel zu spät, Gallimand von alldem in Kenntnis zu setzen.« Und der Arzt trottete aus der Halle und leierte immer wieder, als ob er seinen Rosenkranz bete: »Gott sei mir gnädig.«
    William stand einen Augenblick lang in der leeren Halle und biss sich nachdenklich auf die Fingerknöchel. Dann nickte er wie ein Mann, der sich zu einer Entscheidung durchgerungen hat, und ging in sein eigenes Zimmer. Er war noch nicht wieder daraus hervorgekommen, als König Lionel in der Küche, der Brauerei, der Molkerei und dem Backhaus die Nachricht verbreiten ließ, dass William Flower als Tafelmeister pro tempore anzusehen sei und alle ihm gehorchen sollten, denn er spreche nun mit des Königs eigener Stimme.
    Bei dieser Neuigkeit blökte die Küchenherde wie rasend und wackelte verständnislos mit dem Kopf.
    Master Hardy schwor beim heiligen Iniquus, dass er von allen Sünden die Undankbarkeit am meisten hasse, und warf eine schwere Eisenpfanne quer durch den Raum. Peter Rawlings, Hal Clemin und Dick Talbot steckten die Köpfe zusammen und unterhielten sich flüsternd, während eine Lammkeule langsam verbriet, weil Jack Priddy sie nicht gewendet hatte. Nach einiger Zeit machte sich Master Hardy auf den Weg in den Keller und rief, er werde von dieser halben Portion von Speichellecker keine Befehle entgegennehmen. Ned entschlüpfte dem Aufruhr unbemerkt und lief durch die Korridore zu Williams Kammer.
    Der Tafelmeister pro tempore saß an einem Bocktisch, spielte mit einem Federkiel und starrte aus dem Fenster auf die Dächer der Stadt Cygnesbury. Er wandte sich um, als Ned eintrat, und bemerkte verwirrt, dass der Junge völlig außer Atem war. »Warum diese Eile, Ned? Was ist geschehen?«
    »Der König hat gesagt, dass Ihr jetzt Tafelmeister seid.«
    William seufzte und legte den Kiel nieder. »Ich wünschte, er hätte das nicht getan. Nun, mein Knabe, ’s ist geschehen und ein zerbrochnes Ei kann nicht wieder ganz gemacht werden. Wo ist Master Hardy?«
    Ned kicherte. »Wird wohl unten im Keller sein und seinen Kummer ersäufen. Kriegen ihn heut nicht mehr zu Gesicht und auch morgen nicht.«
    »Es ist das Beste, ihn in Ruhe zu lassen«, sagte William mit einem schiefen Grinsen. »Dann sind da also nur Peter Rawlings und Hal Clemin, mit denen man reden kann. Die anderen werden tun, was diese beiden sagen. Wir müssen darum beten, Ned, dass Master Hardys Stolz weder in zwei noch in drei Tagen ertränkt werden kann.« Mit dem Gehabe eines Ritters am Rande des Turnierplatzes reckte William die Schultern und stieg zum Kampf herab, gefolgt von seinem treuen Knappen Ned.
    Der Aufruhr in der Küche war bis in den Korridor zu hören, doch als William eintrat, verstummten alle Stimmen. Pagen, Junker, Helfer, Küchenjungen, Unterköche, Meisterköche: sie alle froren in ihren jeweiligen Stellungen des Bittens, Erstaunens, Ärgers oder Schreckens ein, als ob das hübsche Antlitz des neuen Tafelmeisters die Macht der Medusa hätte.
    Tafelmeister Flower schritt durch das steinerne Schweigen zu Peter Rawlings. »Master Rawlings«, sagte er und verneigte sich höflich. Peter erwiderte verwirrt die Verbeugung.
    »Solange noch ein einziger Edelmann gesund ist, müssen wir uns um seine Mahlzeiten kümmern. Master Rawlings, ich möchte Euch bitten, die Führung in dieser Küche zu übernehmen, solange Master Hardy … unpässlich ist, und einen Nachfolger für den Fall zu ernennen, dass auch Ihr erkranken solltet, was Gott verhindern möge.«
    Peter Rawlings starrte auf den jungen Tafelmeister nieder; er öffnete und schloss den Mund, während ihm die unterschiedlichsten Gedanken durch den Kopf schossen. Was dieser Mann sagte, ergab einen Sinn, ob er nun ein Emporkömmling war oder nicht. Peter hatte Verstand genug für

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