Die Blume der Diener
Säugling. Seht Ihr, guter Bruder, wir führen ein ruhiges Leben und vom Martinsfest bis zum Jahrmarkt an Sankt Peter in Vinculis erreichen uns keine Neuigkeiten. Das Begräbnis muss ein großes Schauspiel gewesen sein.«
Bruder Jerome nickte feierlich. »Ich selbst ging zusammen mit meinen Brüdern aus der Abtei zu Cygnesbury hinter dem Sarg her. Ihre Majestät hatte den Wunsch geäußert, in Harldon begraben zu werden, und deshalb war es ein langer und staubiger Weg für uns. Wir waren wie eine Schlange aus bummelnden Schauspielern, die ihrem Wagen folgen, nur war der Wagen in diesem Fall der Sarg, wie du dir denken kannst, der auf einem vergoldeten zweirädrigen Wagen stand und von sechs Pferden im Staatsgeschirr gezogen wurde. Wie ich schon sagte, in jeder Hinsicht wie der Wagen einer Spielertruppe, nur schwarz. Die meisten Trauernden gingen zu Fuß und sangen Gebete für die Königin – Gott schenke ihr Frieden. Nur Lord Foley und Lord Maybank ritten, denn sie waren nahe mit der Königin verwandt, und natürlich ritten auch der König und Prinz Lionel und der Pflegebruder des Prinzen. Alle saßen auf schwarzen Pferden, auch wenn ich gehört habe, dass Lord Foleys Pferd in Wirklichkeit seine graue, mit Ruß eingeriebene Stute Estelle war. Eine Meile vor Harldon traf der Leichenzug auf …«
»Die Pest hole Euren Leichenzug, Bruder«, sagte Tom. »Bei unserer Mutter Gottes, Ihr rattert drauflos wie ein alter Karren.«
Bet blickte ihren Mann finster an und legte beschwichtigend die Hand auf den schwarz gekleideten Arm des Mönchs. »Bruder«, sagte sie rasch, »ich würd gern etwas vom König und dem jungen Prinzen hören. Wie sahen sie aus?«
Bruder Jerome erinnerte sich an sein Gehorsamsgelübde und nahm einen kräftigen Schluck von Bets ausgezeichnetem Bier. »König Geoffrey ritt links von dem Wagen, lenkte sein Ross immer wieder nahe an ihn heran und schaute voller Sorgen auf den Sarg. Es besteht kein Zweifel daran, dass er seine Dame geliebt hat, auch wenn sie ihm mehr Töchter als Söhne schenkte und ein wenig dicklich um die Hüfte war.« Hier hielt er inne und warf einen strengen Blick auf den jungen Hai, der rot angelaufen war und vor unterdrücktem Lachen fast platzte. Toms Familie war ein ungehobelter Haufen, dachte er traurig; seine Erzählung war wie Perlen vor die Säue. Aber sie hatten ihn gebeten, von dem Begräbnis zu berichten, und es war seine Pflicht, ihnen alles zu erzählen, seien sie auch noch so undankbar.
Er fuhr fort: »Prinz Lionel ritt neben seinem Vater, eher benommen als in Trauer, denn er ist ein Knabe von ungefähr zwölf Jahren und schon seit langem der Herrschaft seiner Mutter entwachsen. Lord Wickham ritt dicht hinter ihm. Man müsste weit reisen, um ein hübscheres Paar zu sehen: hell und dunkel wie zwei Seiten einer geprägten Münze. König Geoffrey nennt sie David und Jonathan. Wickham wird eines Tages Graf von Toulham werden und das ist eine reiche Baronie.«
»Armer Prinz«, sagte Bet. »Es ist schlimm für einen kleinen Jungen, wenn er seine Mutter verliert.«
Ermutigt fuhr Bruder Jerome fort, die Grablegung und die Begräbnisgaben zu beschreiben, die der König und der Prinz im Namen der toten Königin der Kirche gespendet hatten. Er hatte gerade angefangen, die Geschenke der einzelnen Adligen aufzuzählen – die Altarausstattung und die Wandbehänge, die Börsen voller Geld und die Ballen feinen Leinens –, als die kleine Anne jammernd aufmurrte. Mary trug sie hinaus auf den Hof, um sie zu beruhigen. Hal folgte ihr dicht; man konnte hören, wie er hinter der Küchentür schallend lachte. Tom und Jack blickten finster drein und Bet wechselte einige gequälte Blicke mit Elinor. Alle vier dankten still dem Himmel, als der ferne Klang einer Glocke Bruder Jerome unterbrach und er kurz in Schweigen verfiel.
»Man läutet die Non und das Fleisch ist noch nicht gebraten!«, rief Bet rasch. »Guter Bruder Jerome, Eure Geschichte hat uns bezaubert.« Bet richtete sich auf und ging zielstrebig zum Speiseschrank. »Elinor, hol Mary rein und kümmere dich darum, dass wir Lattich zum Salat haben. Außerdem fehlen mir Thymian und Majoran für den weißen Hering und Bohnenkraut für das Geflügel.«
Mit Bruder Jerome waren sie an jenem Abend dreizehn bei Tisch. Die Melkmägde und Tagelöhner vermochten kaum ihr Fleisch zu kauen, so angestrengt lauschten sie der Geschichte über den Mönch und den sterbenden Mann, mit der Bruder Jerome sie zwischen großen Bissen gekochten
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