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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Sherman
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zuzugeben, dass es am Hof lange nicht mehr so angenehm gewesen war. Bei Tisch reichten die Pagen Hippokras, Sillabub und sogar Gerstenwasser all jenen, die leichtere Getränke dem Wein vorzogen. Die Minnesänger hatten ihrem Kanon von Trinkliedern und Kriegsballaden troubades und chansons hinzugefügt. Oft gab es einen Tanz, wenn die Tische abgeräumt waren, und die Späße des Hofnarren waren nicht mehr so zottig wie früher. Daher sagte Lady Brackton: »Ja, Lady Dumbletan«, und lächelte sie an, denn es bekommt Schoßhündchen nicht gut, sich gegenseitig zu beißen und anzuknurren. Außerdem konnte Lady Dumbletan, deren hängende Wangen ihrem schlaffen Gesicht den Ausdruck eines Spaniels verlieh, nichts dafür, dass auch ihr Verstand nicht größer als der eines Spaniels war.
    Acht silberne Nadeln senkten und hoben sich über acht weißen Leinentüchern. »Es ist übrigens seltsam«, sagte die junge Baronin Carstey, »dass Master Flower seine Geschichte und Abstammung verbirgt. Wer mag er wohl sein?«
    Wenn Lady Dumbletan ein Spaniel war, was war dann Grisel?, überlegte Lady Brackton müßig. Sie beobachtete, wie das Mädchen ihre Gefährtinnen fröhlich ansah, die Nadel schwebend in der Luft hielt und den Kopf neigte. Als ob ihre Frage nicht schon tausendmal gefragt worden und unbeantwortet geblieben wäre! Grisel war ein Eichhörnchen, entschied sie: schwarzäugig, zielstrebig, mit langen Zähnen, gierig nach Klatsch und andauernd ins Geschwätz vertieft.
    »Nun«, setzte Lady Dumbletan an, »er ist niemals von niedriger Geburt; ich glaube, so viel steht fest. Also …«
    »Wenn man Thomas Frith glauben kann«, unterbrach Alyson Pascourt sie, »ist unser Haushofmeister sowohl einer aus dem gemeinen Volk als auch ein Bastard.«
    Sieben Nadeln schwankten, als die Ladies verwirrte Blicke austauschten, und senkten sich wieder in das Leinen, während die Damen stirnrunzelnd die Köpfe beugten.
    »Ich bin der Meinung, dass er für jemanden von niedriger Geburt zu hübsch ist«, fuhr Alyson fort und fädelte einen Strang weizengoldener Seide in ihre Nadel ein. Das Thema ihrer Stickarbeit war eine Allegorie: Die Jungfer Jugend fleht den Ritter Tugend um seine Gunst an. Sie hatte den Ritter wie einen Höfling eingekleidet, ganz in Grün und Rosa, und begann gerade mit der Arbeit an seinem Haar. »Thomas Frith sagt auch, dass der König ihn zum Lord von Airley oder wenigstens zu Sir William machen wollte, aber er hat diese Ehren abgelehnt.«
    Lady Brackton betrachtete den sittsamen Gesichtsausdruck ihrer Nichte mit wachsender Besorgnis. »Ich mag ihn einfach nicht«, zischte sie scharf. »Er ist zu unterwürfig, zu bescheiden, zu spröde. Er stinkt nach Geheimnis, meine Nichte, so wie ein Geck nach Katze stinkt.«
    »Ihr seid sehr streng, Gräfin«, sagte Lady Dumbletan.
    »Das glaube ich nicht, Mylady.« Jeder heftige Stich von Lady Bracktons Nadel unterstrich ihre Worte mit einem leisen Geräusch. »Wir wissen nichts über ihn, außer dass er gut kocht, eine Begabung für die Führung eines großen Haushalts hat und beinahe unverschämt heimlichtuerisch ist. Eine solche Verschwiegenheit mag vielleicht einem Ritter im Lied eines Minnesängers anstehen, aber bei jemandem, der trotz allem kaum mehr als ein schwülstiger Küchenjunge ist, kann das nur etwas Böses bedeuten.«
    Die älteren Ladies sahen bei diesen Worten nachdenklich drein. Lady Tilney nickte. Alysons Mund verzog sich zu einer sturen Schnute. »Und warum sollte uns das etwas angehen, wenn es nicht einmal für den König wichtig ist?«
    Grisel, die zwei Jahre älter als Alyson und bereits seit einem ganzen Jahr verehelicht war, fühlte sich dazu berufen, sie aufzuklären. »Mein Lord Carstey sagt, dass Flower zwar vielleicht heute Haushofmeister ist, aber wird er es auch morgen noch sein? Wenn König Lionel herausfindet, dass dieser Junge nicht so untadelig ist, wie er geglaubt hat, wird er dem Schurken jede Gunst und jeden Rang wegnehmen, sagt mein Lord, und zwar genauso schnell, wie er sie ihm verliehen hat – und vielleicht nimmt er ihm sogar das Leben.«
    Alyson schniefte laut und abschätzig, ohne den Blick von den goldenen Locken ihres seidenen Ritters abzuwenden. Mädchen sind unerträglich, dachte Lady Brackton. Ihre fünf Söhne hatten sie nie so belastet wie diese eine Nichte. Seit fünf Jahren hatte sie Alyson in ihrer Obhut und war darüber alt und grau geworden.
    In diesem Augenblick spähte Alyson hoch zu ihrer Tante, warf dann einen Blick auf

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