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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Sherman
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Fenster hocken sah. Er kletterte auf den breiten, hölzernen Sitz neben ihr. »Guten Tag, Lady Alyson«, murmelte er.
    »’s ist fröhlicher Juni draußen, doch auf deinem Gesicht ist’s noch April, junger Thomas. Was hat Haushofmeister Flower denn heute wieder angestellt?«
    Thomas schnaubte verächtlich. »Er sagte, er würd mich eine neue Weise lehren, meine Laute zu stimmen. Zweifellos mit Wachspolitur und etwelchen Kräutern auf den Saiten, damit die Katzeneingeweide stärker riechen und somit süßer klingen. Hab genau das auf sein Angebot gesagt und der König hat mich der Unverschämtheit gescholten, auch wenn er meinen Witz gelobt hat.«
    »Er ist’s, der unverschämt war, und nicht du«, sagte Alyson entrüstet. »Es war eine sehr hübsche Entgegnung von dir. Was geht es des Königs Haushofmeister an, wie der Page des Königs seine Laute stimmt? Seine Majestät hat dein Spiel immer sehr genossen.«
    Thomas zuckte verdrießlich die Achseln. »Seit kurzem mag er’s nicht mehr so sehr. Nun dreht sich alles um Master Flower. Der König umgibt sich mit ihm, als war er ein Räuchersäckchen und all seine früheren Freunde nichts als ansteckende Krankheiten. Selbst jetzt bin ich auf der Suche nach ihm, auf dass der König an ihm schnuppern kann.« Thomas rutschte von dem Fenstersitz herunter und schenkte Alyson eine zaghafte kleine Verbeugung; seine vorlaute Art war von ihm abgefallen. »Ich muss ihn wirklich recht bald finden, Lady, ’s sind meine Ohren und nicht seine, die die Faust des Königs spüren werden, wenn Master Flower säumig ist.«
    »Und wo gedenkst du ihn zu finden, süßer Thomas?«, fragte Alyson. »Woher weißt du, ob du ihn im Kerker oder im Turm suchen musst, wo er sich doch dauernd in die Angelegenheiten der anderen einmischt?«
    »Das ist leicht genug, Lady. Wenn er nicht in seiner Kammer ist, ist er in der Küche, und wenn er auch dort nicht ist, so ist er im Kräutergarten. Das ist ein muffiger und verstaubter Ort an der inneren Mauer und hat nicht mal einen guten Kletterbaum, der eine Empfehlung für ihn wäre, aber trotzdem geht Master Flower oft dorthin.«
    So kam es, dass Alyson am nächsten Tag auf einer Steinbank hockte und ihr der fade Duft von Salbei, Thymian und Kamille in die Nase stieg. Als Kontrast zu ihrem Haar hatte sie sich sorgfältig in Meerblau und Bernstein gekleidet. Sie hielt ihre Stickarbeit sorgfältig fest, damit der Schwung ihres Halses und die hübschen niedergeschlagenen Augenlider vorteilhaft hervortraten. Wenn die Liebe durch die Augen Einlass fand, so wie alle Freier es ihr versichert hatten, dann wollte Alyson ihr leichten Eintritt zu Master Flowers Herz gewähren. Der einzige Misston in diesem Bild war Lady Brackton, die schwergewichtig neben ihrer Nichte saß, Mücken fortwedelte, vor Bienen zurückschreckte, sich vor Schmetterlingen entsetzte und andauernd unbehaglich hin und her rutschte.
    Als ihre Tante sie nach ihrer plötzlichen Liebe zur Natur befragte, zog Alyson eine Grimasse. »O Tante, warum fragt Ihr? Im Turmzimmer ist es so heiß wie im Schlund der Hölle und Lady Tilneys Zunge wird mit jedem Tag schärfer. Noch einen weiteren Tag in ihrer Gesellschaft, und ich kann für nichts mehr einstehen, das verspreche ich Euch.«
    Da die Hofdamen tatsächlich wegen der Hitze übel gelaunt waren und das Mädchen oft stichelten, konnte Lady Brackton ihrer Nichte die Erlaubnis nicht verweigern, im Freien zu nähen. Sie wunderte sich allerdings, warum Alyson ausgerechnet den Kräutergarten den anderen Gärten innerhalb der Mauern von Cygnesbury vorzog. Wenn Lady Tilney oder die Gräfin Carstey es sich im Schatten des Grüns bequem zu machen wünschten, nahmen sie für gewöhnlich Zuflucht zum Rosengarten, zum Nordgarten mit seinen fleur de lis- Rabatten oder zum von Mauern umgebenen, winzigen und sehr abgeschiedenen Garten der Königin. Nur Küchenjungen und Gärtner kamen in den Kräutergarten, obwohl er sowohl mit einem Sinn für Nützlichkeit als auch für Schönheit angelegt worden war. Hier und da standen behauene Steinbänke und die Wege waren mit Kamille und winterfestem Thymian besät, sodass man bei jedem Schritt duftende Blätter zertrat.
    Der Kräutergarten war tatsächlich der geeignete Ort für ein heimliches Stelldichein, auch weil er so alltäglich erschien. Lady Brackton hatte vermutet, Alyson wolle entweder Sir Lawrence oder einen gar noch unpassenderen Verehrer treffen. Deshalb hatte sie ihrer Nichte beigepflichtet, dass es wirklich

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