Die Blume der Diener
Grisel, bleckte die Schneidezähne und ahmte so in einer bösen Grimasse den gewöhnlichen Ausdruck der Baronin nach. Lady Brackton verbarg ihr unfreiwilliges Lachen hinter einem hastigen Spuckhusten. Was für eine Range hatte Bruder Pascourt ihr doch hinterlassen!
Alyson war gerade vierzehn, klein und von zierlichem Knochenbau. Ihr rotbraunes Haar erinnerte an die Flügel einer Lerche. Seit der Auflösung ihrer Verlobung durch den Tod des Grafen von Toulworth hatte jeder junge Mann von Rang und Namen mit Madrigalen und Seufzern um sie geworben. Wenn sie älter gewesen wäre, hätten ihr diese Huldigungen vielleicht den Kopf verdreht, doch da sie kaum mehr als ein Kind war, hatte Alyson die ihr dargebrachten honigsüßen Worte mit belustigter und gleichgültiger Unverschämtheit angenommen.
In den letzten Monaten war allerdings die Anzahl ihrer Freier auf einen einzigen zurückgegangen; dieser war der glühende Sir Lawrence Ostervant. Sein scharfe Lanze und noch schärfere Zunge hatten die übrigen Anwärter auf Alysons Gunst zum Schweigen gebracht. Angesichts der Schärfe seiner Leidenschaft war auch Alyson verstummt. Aber Lady Brackton hegte die Befürchtung, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Sir Lawrences dunkle Schönheit und offensichtliche Verehrung die Gleichgültigkeit ihrer Nichte aushöhlte. Mit vierzehn war ein Mädchen nicht zu jung, um sein Herz zu verschenken. Lady Brackton wollte indes nicht, dass ein unbedeutender Ritter ein Geschenk erhielt, das Alyson von Rechts wegen nicht einmal gewähren konnte.
Noch weniger wollte sie, dass ihre Nichte dem königlichen Haushofmeister zum Opfer fiel. Diese jüngste Laune Alysons war möglicherweise nicht mehr als die Begeisterung eines Kindes für das Rätselhafte, aber Lady Brackton würde keinesfalls eine Liebelei zwischen der leicht zu beeindruckenden jungen Gräfin von Pascourt und dem vaterlosen Master Flower dulden, ob er nun der Günstling des Königs war oder nicht. Da war ihr Sir Lawrence doch lieber.
Lady Brackton bewegte ihre üppige Körpermasse auf dem mit Kissen gepolsterten Stuhl hin und her und seufzte. In Wahrheit war sie schon grau gewesen, als Alyson zu ihr kam. Aber sie befürchtete, dass ihre Sorgen sie ins Grab brachten, bevor sie ihre Nichte verheiraten konnte.
Es war gut für den Seelenfrieden der besorgten Lady Brackton, dass ihr entging, wie ihre Nichte Pagen und Diener zum Klatsch über den neuen Haushofmeister verführte. Auf diese Weise erfuhr Alyson eine ganze Menge über seine Gewohnheiten und Eigentümlichkeiten, aber seine rätselhafte Anziehungskraft blieb ihr noch immer unerklärlich. Dolly Whitlow, die Kammerzofe ihrer Tante, erzählte ihr, dass Haushofmeister Flower Mistress Rudyard dazu gebracht hatte, die Waschzuber mit Lauge auszuschrubben, obwohl doch Waschzuber Waschzuber und daher immer sauber sind. Von Thomas Frith, dem Pagen des Königs, erfuhr sie, dass Haushofmeister Flower sich zu fein für Pomp dünkte und sich ausschließlich von einem schmierigen, dumpfschädeligen Bastard von Küchenjungen bedienen ließ. Als sie Ned selbst befragte, grinste er nur wie ein Affe und hastete davon, weil er irgendeine dringende, rätselhafte Arbeit für seinen Meister zu erledigen hatte.
Seit ihrer Ankunft bei Hofe war Alyson mit Thomas Frith befreundet. Er war zwei Jahre jünger als sie, weswegen sie ihn immer noch wie einen kindlichen Spielgenossen behandelte. Als sie seinen Neid auf den Haushofmeister bemerkte, drängte sie ihn dazu, sich ihr anzuvertrauen. Das tat er liebend gern. Er erzählte eine Geschichte nach der anderen über Master Flowers Falschheit, doch was Thomas als Gift ansah, trank Alyson wie süßen Wein. War die Verschwiegenheit des Haushofmeisters Stolz, wie Thomas behauptete, oder war sie wahre christliche Demut wie die des Ritters Courtois de Lyon, der Holz für eine Bäuerin gesammelt und der Lady Wilane die schlammigen Füße gewaschen hatte? Sie konnte es nur herausfinden, indem sie mit Master Flower selbst sprach.
Eines sonnigen Morgens saß Alyson an einem offenen Fenster in der langen Galerie. Es war heiß für Juni. Sie hielt die klebenden Röcke von den Schenkeln ab und wünschte sich, dass sie bei warmem Wetter wie ein Bauernmädchen mit bloßen Beinen gehen könnte. Als Thomas im Bogen am Ende der Galerie erschien, ließ sie rasch die Röcke fallen. »Hallo, Master Thomas«, grüßte sie ihn.
Thomas schreckte zusammen, schaute sich schuldbewusst um und grinste, als er Alyson am
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