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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Sherman
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ärgerte Lord Brackton sehr, dass er diese Ehrenstellung an einen unbekannten Emporkömmling verloren hatte. Der Mann sah kaum älter als Alyson aus, dachte Brackton und zog eine Grimasse. Die ausgelassene Nichte seiner Frau war kein angenehmeres Thema als der Haushofmeister. In gewisser Hinsicht waren sie einander sehr ähnlich. Was war, wenn der König sich so weit vergaß, dass er Alyson an Master Flower vergab? Mit einem solchen Menschen wollte Brackton nicht verwandt sein.
    Während er schwerfällig nachdachte, wurde Carstey allmählich geschwätzig. »Jawohl, wie ein Mönch zur Fastenzeit – so geht unser Haushofmeister durchs Leben. Auf alle Fälle ist er ungewöhnlich schamhaft, als ob er ein Gelübde der Bescheidenheit abgelegt hätte. Er will keinen Rattenschwanz von Bediensteten, wie es seinem Rang zusteht, sondern hat als Diener nur diesen Küchenjungen. Auch ist er bartlos wie ein Eunuche, obwohl er angeblich schon fünfundzwanzig ist.« Carstey lehnte sich zu Brackton herüber. Sein Atem stank nach abgestandenem Wein und Zwiebeln. »Hab gehört, wie Mistress Rudyard ihn einen Zauberer nannte.«
    »Na und?«, knurrte Brackton. »Zauberer und Zauberinnen sind in Albia so häufig wie Fliegen auf einem Köter und dazu noch weitaus ungefährlicher. Der Vetter des Erzbischofs von Estremark ist ein Zauberer. König Geoffrey hielt sich einen Hofmagier. Es ist nicht ehrenrührig, ein Zauberer zu sein. Bei einem Hexer oder einer Hexe ist das etwas anderes, aber es gibt schon seit hundert Jahren keine Hexen mehr in Albia.«
    Der Baron schnaufte. »Es ist nicht ehrenrührig, wenn eine Frau eine Zauberin ist«, erwiderte er. »Haushofmeister Flower ist angeblich ein Kräuterkundiger. Wer hat denn je von einem männlichen Kräuterkundigen gehört? Und seit er Haushofmeister geworden ist, könnte ich schwören, dass ein Zauberbann der Sauberkeit auf dem Schloss liegt – so wie in den Tagen der alten Königin Constance. Die Pagen erzählen sich, wie er am letzten Montag einen Diener beschimpfte, weil er die Binsen in der Halle nicht gewechselt hat, obwohl sie doch erst einen Monat alt sind.« Carsteys Stimme erhob sich in beschwipster Verwirrung. »Habt Ihr je von einem Mann gehört, der wegen ein paar verrotteten Binsen einen solchen Aufruhr macht? Und obwohl jede Dame bei Hofe ihm nur allzugern des Nachts Gesellschaft leisten würde, schläft er allein. Wenn er überhaupt schläft! Er verbringt doch Tag und Nacht im Gemach des Königs!«
    Plötzlich fühlte sich der Graf von Brackton wieder ziemlich nüchtern. »Edric Carstey«, brummte er so ernst, dass der alte Mann blinzelte und den kahlen Kopf einzog. »Wollt Ihr damit andeuten, dass derjenige, über den wir gerade reden, des Königs … äh, Liebling ist?«
    »Ihr missversteht mich, Mylord.« Carsteys Stimme klang verdrossen. »Flower ist der wichtigste Ratgeber des Königs.«
    »Genau. Und Ihr habt gesagt, dass er den König mit weiblicher Weisheit berät.«
    »Ich habe nur von seiner Reinlichkeit und Bescheidenheit gesprochen. Beides sind christliche Tugenden.«
    »Aber was bedeutet dann Euer Gerede über Barte und Küchenjungen? Und was soll es bedeuten, dass er Tag und Nacht zusammen mit dem König verbringt?«
    Carstey murmelte über den Rand seines Pokals, er habe damit nichts Böses gemeint.
    Darauf erwiderte Brackton kurz: »Wenn Ihr nichts Böses habt sagen wollten, verdünnt Ihr am besten Euren Wein oder trinkt Gerstenwasser wie unser Haushofmeister. Denn was Ihr heute Abend gesagt habt, klingt mir verdächtig nach Verrat.«
    Carstey trank seinen Malvasier aus, zog den kahlen Kopf noch tiefer in den Kragen seiner Robe und schlief auf dem Tisch ein. Lord Brackton starrte beunruhigt zu Master Flower hinüber und fragte sich wieder einmal, was das für ein Mann war, der da so ruhig, höflich und nüchtern zur Rechten den Königs saß.
    Margaret schlief einen Tag und eine Nacht lang im Schutz ihres Pentagramms. Sie war vor Erschöpfung in eine totenähnliche Bewusstlosigkeit gesunken. Am zweiten Morgen nach der Aussendung ihrer Armee störte ein Geräusch ihren Schlaf. Zuerst war es wie das Knirschen von steifem Leder, doch als sie langsam erwachte, verwandelte sich das Geräusch in das gequälte Jaulen ihrer Füchsin.
    Zunächst wusste Margaret weder, warum sie auf dem Steinboden lag, noch warum sie so erschöpft und müde war. Sie schlug die Augen auf und sah das bronzene Horn in ihrer ausgestreckten Hand. Sie blinzelte, bewegte sich steif und

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