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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delia Sherman
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ein, wenn er neben ihr saß und die Augen starr auf die Kräuterblätter in seinen langen Händen gerichtet hielt. Wenn er nicht in Alysons Nähe war, ertrug sie die heißen Stunden in dem Gedanken, dass er unter der Liebe zu ihr litt, weil er sie nicht zu offenbaren wagte. Alle Liebesgeschichten, von denen sie je gehört hatte, waren voller junger Männer, die allmählich jeden Geschmack an Essen und Vergnügungen verloren; sie erbleichten und erzitterten, wenn sie die Dame ihres Herzens erblickten. Schließlich war es ihnen nicht länger möglich, ihre Leidenschaften im Zaum zu halten. Sie warfen sich ihrer Dame zu Füßen und heiße Küsse regneten auf ihre weißen Hände herab. Hatte sich Sir Lawrence beim Turnier von Reddingale nicht ebenso benommen? Sicherlich war dieser dumme Mann inzwischen schon ganz geschwächt. Wenn sie geduldig wartete, würde auch William bald so weit sein. Bei ihm würde Alyson allerdings die Hand nicht wegziehen.
    Diese närrischen Gedanken halfen ihr dabei, die Hitze so geduldig zu ertragen wie Lady Bracktons deutliche Missbilligungen und Lord Bracktons verlegene Lektionen über Verantwortlichkeit.
    »Du bist nicht nur die Gräfin von Pascourt, sondern auch das Mündel des Königs«, erläuterte er ihr. »Der König sagt dir, wen du lieben darfst und wann du ihn lieben darfst. Er wird dir niemals erlauben, jemanden aus der Dienerschaft zu heiraten, selbst wenn er ein Günstling des Königs ist. Wenn du den Blick nicht auf einen passenden Liebhaber richten kannst, dann richte ihn ausschließlich auf deine Stickarbeit. Liebe ist etwas für die Lieder der Minnesänger, aber nichts für den täglichen Gebrauch.« Alyson lachte, küsste ihren Onkel auf die Wange und eilte zurück in den Kräutergarten, wo sie stickte, träumte und auf William wartete.
    Wann immer Lord Brackton über die Nichte seiner Frau sprach, lagen seine Wut über ihre Selbstsüchtigkeit und sein Neid auf sie miteinander im Kampf. Wenn er doch noch einmal jung und die Liebe für ihn wieder wichtiger als eine ganze Ernte sein könnte!
    Ein trockener Tag folgte auf den nächsten. Aus dem Norden kam weder Regen noch die Hoffnung auf Niederschlag nach Cygnesbury, sondern nur ein Häufchen grimmig dreinblickender Boten auf erschöpften Pferden. In der Ratsversammlung spottete der König, ihre Berichte über Dürren und Hungersnöte seien nichts anderes als die Früchte einer übertriebenen Angst. Doch der alte Lord Brackton erinnerte sich noch allzu deutlich an die Schrecken längst vergangener trockener Sommer und harter Winter. Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf über die Sorglosigkeit des jungen Königs.
    In der Mitte des Juli war das Rinnsal der schlechten Nachrichten zu einer regelrechten Flut angeschwollen und Lionel konnte nicht länger verleugnen, dass Albia bedroht war. Zuerst schrieb ihm der Graf von Longmeadow in einem Brief von vernichtetem Weizen, mit Rostpilzen befallenen Bohnen und einer drohenden Hungersnot. Dann schickte Eustace Oxbow, der Baron von Hedley, Berichte aus seinem Moorgut über zeugungsunfähige Widder und eine Fuchsplage. Zur gleichen Zeit kam von Lord Avonlea die Nachricht, dass seine Pächter über milchlose Kühe, Schafskrätze, verfaulendes Getreide, grassierendes Fieber und schwächenden Ausfluss klagten. Als die Wochen vergingen, wurde es immer deutlicher, dass keine Grafschaft, keine Baronie und kein Lehensgut von den allgemeinen Übeln ausgenommen war. Von der brantischen Grenze bis zu den südlichen Meeresklippen stöhnte Albia unter Fieber und Mangel. Die Adligen wandten sich an ihren Lehensherrn und verlangten nach Hilfe.
    Sobald König Lionel von der Echtheit ihrer Not überzeugt war, verhielt er sich seinem Adel gegenüber nicht knauserig, sondern gab freizügig, was er geben konnte. Er vergaß, dass man auch mit Gold kein Getreide kaufen konnte, wenn es kein Getreide gab, und teilte Reichtümer aus seiner Privatschatulle aus, bis diese beinahe leer war. Zwei solcher Wochen brachten den königlichen Schatzmeister Lord Molyneux an den Rand der Verzweiflung. Woher sollte das Geld kommen, um das Mausoleum für den Grafen von Toulworth zu vollenden, wenn Seine Majestät alles in nutzloser Mildtätigkeit ausgab? Schließlich erinnerte sich König Lionel an Master Flowers Listen und Pläne und berief den königlichen Haushofmeister zum Ratsmitglied. Innerhalb weniger Tage ging jegliche Verschwendung denselben Weg wie die Ratten, die früher einmal in der königlichen

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