Die Blume der Diener
unsicher: »Verzeih, Haushofmeister, aber willst du damit andeuten, dass Albias Krankheiten von einer gewaltigen Blähung herrühren?«
William beachtete diese leichtfertige Bemerkung nicht, sondern sagte so langsam, als würde er zuvor jedes Wort auf die Goldwaage legen: »Eure Majestät wissen, dass es seit der Verbrennung des Hexers Plaidus unter der Regentschaft Eures Ururgroßvaters, des Magiers John, keine Hexer oder Nekromanten mehr in Albia gibt.« Lionel nickte.
»Und Eure Majestät wissen, dass dieser Magier John einen Schutzbann ausgesprochen hat, sodass kein Adept der dunklen Künste mehr innerhalb Albias Grenzen leben oder die reine Luft unseres Landes atmen kann.« Wieder nickte Lionel ohne wahre Begeisterung. Das alles war gewöhnliches Schulwissen.
William stützte sich mit den Händen an der Tischkante ab. Sein bartloses Gesicht glühte im Licht der Kerzen vor Hitze und Eifer. »Dieser Schutzbann ist schon lange abgenutzt. Der letzte Hofzauberer war Magister Lebbaeus; er starb, bevor Eure Majestät geboren wurde. Die Archive Eurer Majestät deuten an, dass Lebbaeus diesen Bann zwar erneuern wollte, aber nicht die Kraft dazu hatte.«
Lionels Gleichgültigkeit fiel von ihm ab und wurde durch Verständnis und wachsende Vorahnung ersetzt. Er richtete sich auf und bemerkte die Hitze nicht mehr. »Willst du mir etwa sagen, Haushofmeister, dass mein Land von einer Dämonenplage heimgesucht wird?«
»Ja, mein Gebieter.« William beugte sich noch weiter über den Tisch und senkte die Stimme zu einem Murmeln, als ob er sich vor seinen eigenen Worten ängstigte. »Da ist noch etwas. In dem Wald nahe bei dem Dorf, in dem ich geboren wurde, gibt es einen aus Steinen errichteten Turm. Er hat folgende Eigenarten: In seiner Nähe wächst nichts und kein Mann, der nach ihm sucht, findet ihn. Das, mein Gebieter, sind Eigenarten eines Hexenbaus. Ferner geht in dem Dorf das Gerücht um, dass eine Frau in diesem Turm wohnt – eine Frau, die in Gemeinschaft mit Füchsen lebt und unnatürliche Winde heraufbeschwört. Unaufhörlich fegen Stürme um den Turm, selbst wenn es in allen anderen Teilen des Waldes windstill ist.«
»Aha.« Lionels Gedanken lärmten wie eine ungestimmte Laute. Er fuhr sich mit den Händen durch die gelbe Mähne und sprach das Erste aus, das ihm in den Sinn kam. »Master Haushofmeister, wir sollten den Lords schreiben und ihnen sagen, sie mögen sich nicht bei mir, sondern bei dieser Hexe beschweren, denn ich kann keine Dämonen austreiben.«
William richtete sich schweigend auf. Lionel spürte, dass er nicht das Richtige gesagt hatte. Sein Blick flackerte unruhig vom ernsten Gesicht des Haushofmeisters über den Pergamentstapel zu Lissaudes Porträt. »Ich fürchte, wir können wenig tun, solange nicht meine Braut Magister Veneficus nach Albia gebracht hat. Denn ohne ihre Mitgift kann ich nicht einmal den geringsten Zauberer bezahlen.« Lionel errötete, als er das Zittern in seiner Stimme bemerkte. Ein König winselte nicht wie ein Bettler oder ein flaumgesichtiger Bengel. Aber auch ein König ist nur ein Mensch, dachte er, und wie jeder Mensch ist er ein Opfer seiner Gefühle.
Schließlich bemerkte er beiläufig: »Die Duchesse de Frise schreibt, dass la Haulte Princesse bereits mühevoll Albisch lernt und einen albischen Beichtvater angefordert hat. Wenn alles so weitergeht, stopft sich dieses vogelhirnige Weibsbild den Kopf mit einer Sprache voll, die bald niemand mehr spricht.«
William stand jetzt im Schatten. Die lange Sommerabenddämmerung hatte sich zur Nacht verdichtet. Nur die Kerzen auf dem Tisch spendeten noch Licht. Er erwiderte höflich: »In der Tat eilt der Prinzessin nicht der Ruf voraus, eine Gelehrte zu sein, mein Gebieter, aber Euer Gallimandisch ist hervorragend und Ihr habt Jahre lang Zeit, ihr ein liebender Lehrer zu sein.« Nun war seine Stimme die eines Höflings: kalt und unbeteiligt. »Hat Eure Majestät bereits über ein Brautgeschenk für seine Königin nachgedacht?«
Lionel war dankbar für den Wechsel des Gesprächsgegenstandes. Er klammerte sich wie ein Ertrinkender an den Gedanken seiner bevorstehenden Hochzeit. Hastig rief er sich ins Gedächtnis, was er über Lissaude wusste. Er sah, dass sie hübsch war; er hatte gehört, dass sie fromm war. »Vielleicht eine Privatkapelle nur für sie allein?«, schlug er vor.
»Mit einer neuen Kapelle kann man kaum vor dem nächsten Frühling beginnen. Außerdem ist Graf Toulworths Mausoleum noch nicht vollendet
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