Die Blume der Diener
Vorratskammer genistet hatten.
Die Adligen von Albia mussten wie schon Master Hardy und Mistress Rudyard vor ihnen zugeben, dass William Flower trotz seiner Jugend und seiner zweifellos niedrigen Geburt ein fähiger Kopf war. Tag für Tag hörten sie zu, wenn er mit klarer Stimme die einfachsten, aber wirksamsten Heilmittel vorschlug. Wenn die Schafe in Hedley an der Drehkrankheit starben, musste man sie einfach nach Carrock bringen, wo noch kein Fall dieser Krankheit aufgetreten war. Wenn aus stehenden Gewässern Fieberdämpfe aufstiegen, musste man diese Gewässer trockenlegen. Er wusste sogar, wie man eine solche Trockenlegung möglichst schnell und preiswert durchführen konnte. Tag für Tag stieg der besitzlose, namenlose Küchenjunge höher in König Lionels Gunst. Obwohl die Adligen die Leichtigkeit und Schnelligkeit seines Aufstiegs widerstrebend bewunderten, durfte man nicht von ihnen erwarten, dass sie dieses Schauspiel genossen.
Eines Abends im späten Juli saßen Baron Carstey und der Graf von Brackton nebeneinander am einen Ende der Hohen Tafel. Die Berge von gerösteten Ferkeln und Lerchenpasteten machten es ihnen unangenehm deutlich, dass sie viel zu gut speisten. Zur Linken des Königs spielte der Haushofmeister mit einem Gartennelkenpudding, während Seine Majestät mit Hilfe seines Schneidemessers, seines Pokals, seiner Fingerschale und seines juwelenbesetzten Dolchs eingehend erzählte, wie er im letzten August einen Keiler erlegt hatte – völlig allein, wenn man von den Treibern absah.
Der alte Baron Carstey, der so verrunzelt wie eine Schildkröte war, warf einen schwachen Blick ans obere Ende der Tafel. »Seht ihn Euch bloß mal an«, meinte er mit verächtlicher und vom Malvasier getränkter Stimme.
Der Graf von Brackton drehte den Hals und schaute in dieselbe Richtung wie sein Freund. Wenn Alfred Rawlings, Graf von Brackton, Baron Ekwall und Lord Brooke von Brooke, nüchtern und guten Mutes war, war er ein aufgeräumter, freundlicher Mann mit den blitzenden dunklen Augen eines Jagdhundes. Er liebte das Leben bei Hofe, den Klatsch und die Politik und ließ die Verwaltung seiner Ländereien gern in der fähigen Hand seines ältesten Sohnes Walter. Heute Abend aber war er nicht so aufgeräumt wie üblich. Die Nachrichten aus Brackton Hall waren nicht gut und er wusste nicht, welche seiner Pflichten die vordringlichsten war. Außerdem war er ein wenig betrunken. »Wen soll ich mir ansehen?«
»Flower. Den hübschen Knaben des Königs. Ich meine den Haushofmeister«, sagte Carstey und schaute sich in plötzlicher Beunruhigung um.
»Ich will ihn mir aber nicht ansehen«, beschwerte sich Brackton. »Ich sehe ihn jeden Tag, wenn er am Ratstisch schwätzt und vor klugen Gedanken beinahe platzt.« Er führte seinen Pokal an die Lippen und bemerkte, dass er leer war. Er fluchte, winkte einen Pagen heran, der den Pokal sofort auffüllte, und blickte dann unglücklich in den Wein. Nach einiger Zeit runzelte er die Stirn und murmelte heftig: »Eitler Laffe!« Seine Worte weckten den Baron auf, der gerade eingenickt war.
»Irgendwie bring ich’s einfach nicht fertig, diesen Haushofmeister zu mögen«, meinte Brackton. Er sprach wie zu sich selbst, aber laut genug, dass Carstey ihn hören konnte. Er war verwirrt und suchte Erklärungen; und er war betrunken genug, um sie in der Gesellschaft anderer zu suchen. »Er ist freundlich und höflich und zollt dem Alter und der Erfahrung gebührende Beachtung. Aber er ist niemals wütend, niemals fröhlich und spielt weder Fangen noch Blindekuh. Der Mann ist kein Mensch.«
»Jawollja«, sagte Carstey düster. »Und er trinkt nur dünnen Kanarienwein und Gerstensaft. Ich traue keinem Mann, mit dem man nicht in aller Freundschaft einen anständigen Schoppen Wein trinken kann.« Er nahm einen tiefen Zug aus seinem eigenen Pokal.
Brackton zuckte die Achseln und klagte weiter: »Peter hat mir gesagt, dass er in der Küche nicht öfter gelacht hat als hier in der Halle. Jahrein und jahraus ist der Mann so nüchtern und ernsthaft wie ein Mönch zur Fastenzeit.«
Er saß eine Weile brütend da und runzelte die hohe Stirn in Gedanken an die Ungerechtigkeit des Schicksals. Er war ein Freund der Königin Constance und Ratgeber König Geoffreys gewesen und hatte den kleinen Prinzen Lionel auf den Knien geschaukelt. Es wäre vom König nur recht und billig gewesen, wenn er nach dem Tod des kinderlosen Lord Roylance Brackton zum Haushofmeister bestellt hätte. Es
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