Die Blume der Diener
lächelte dann gequält, als die Erinnerung zurückkehrte. Ihr Krieg hatte begonnen; bald würde ihre Tochter besiegt sein. Sie erinnerte sich daran, dass sie ein nur halb fertiges Gewitter ausgesandt hatte. Sie war die Zauberin des Steinturms; sie hatte das Recht, ihre Macht in jeder ihr genehmen Form zu gebrauchen. Wer würde es schon wagen, sie deswegen zu tadeln?
Die Füchsin winselte noch immer. Margaret setzte sich auf und streichelte sie, doch das Tier entwand sich ihrem Griff und bellte den verschleierten Spiegel an. Margaret folgte dem obsidiandunklen Blick der Füchsin und sah, dass sich der schillernde Schleier in einer sanften Brise bewegte. Ein Spähgeist war zurückgekehrt. Margaret brach das Pentagramm auf, erhob sich und hinkte zu ihrem Stuhl.
»Berichte!«, befahl sie mit rauer Stimme.
Als die Brise sich näherte, um diesem Befehl nachzukommen, stellte sich das Fell der Füchsin auf. Der Wind hatte nicht viel zu berichten; er schilderte nur pflichtbewusst den Aufmarsch der luftigen Heerschar und die Flüche in ihrem Gepäck.
Margaret kannte die Hirnlosigkeit der kleineren Dämonen, denen man andauernd versichern musste, dass sie gerade das Richtige taten. Nachdem sie den Geist zu seinem Befehlshaber zurückgeschickt hatte, beschlich sie die Erkenntnis, dass Krieg ein ermüdendes, langweiliges Geschäft war, bei dem man vor allem Geduld aufbringen musste: Ihr waren die langen Momente zwischen dem Aufsagen eines Zauberspruchs und seiner Wirkung wohl bekannt. Manchmal vergingen Tage zwischen dem Herausfinden eines Dämonennamens und seiner Anrufung – Tage, in denen man im Schatten der Angst lebte. Geduld und Ausdauer waren von überragender Wichtigkeit. Alle Ereignisse in ihrem Leben – die Grausamkeit ihres Vaters und Lentus’ Lust – hatten sie gelehrt, dass Ungeduld sinnlos und manchmal sogar gefährlich war. Die Dämonen wussten, dass Ungeduld Unsicherheit bedeutete; nur die Furchtlosen konnten es sich leisten, Zeit zu haben.
Margaret stand auf, streckte sich und stieg hinunter zu ihrer Schlafkammer, um sich zu baden und weiterzuschlafen. Ausdauer war schließlich eine ihrer stärksten Eigenschaften und Angst war ein Gefährte, dessen Vertrautheit sie schon beinahe lieb gewonnen hatte. Niemand vermag geduldiger zu warten als ich, dachte sie stolz.
Also wartete Margaret in ihrem Steinturm, während ihre Dämonen Vernichtung durch Albia trugen. Das Warten war sowohl leichter als auch mühsamer, als sie vorhergesehen hatte. Ihre Tage wurden so sehr vom Brauen neuer Plagen und Reizmittel in Anspruch genommen, dass ihr kaum Zeit für Angst blieb. Durch das Land jagende Dämonen waren nicht so leicht zu lenken wie solche in einem steinernen Zimmer. Margaret musste immer öfter Kriegsrat halten und Meutereien unterdrücken. Von Zeit zu Zeit trauerte sie ihrem verlorenen Frieden nach. Aber ein Blick auf den Spiegel, der verhüllt und gegen die Wand gedreht in einer dunklen Ecke stand, bestärkte sie sofort in ihrem Vorsatz.
Weil Cygnesbury ihre Feindin beherbergte, ließ Margaret ihre heißeste Wut an Schloss und Stadt aus. Sie schickte unablässig Krankheiten, Heimsuchungen und heiße Winde auf sie herab. Die Grafschaften Trinley und Greenhaugh waren schon verseucht; Wyrmford und Reddingale hatten die Wüstenwinde bereits versengt. Aber zu Margarets verständnislosem Entsetzen wankte Cygnesbury noch immer nicht.
Ende Juli rief Margaret ihren Erzdämon aus dem Norden zurück. Ihre ganze Übermacht hatte ihr nichts genützt. Also schickte sie ihren mächtigsten Diener allein nach Cygnesbury und war gespannt darauf, was dessen Heimlichkeit und Tücke bewirken mochten. Sie befahl dem Dämon, nicht eher zurückzukehren, als bis er Stadt und Schloss in Schutt und Asche gelegt hatte und ihre Tochter gedemütigt in den Ruinen herumkroch.
Kapitel Fünf
Auf den heißen Juli folgte ein noch heißerer August; den schlechten Nachrichten folgten noch schlechtere und Mangel herrschte in den Mauern der Hauptstadt Cygnesbury sowie ein großer Andrang von Flüchtlingen aus Greenhaugh, Trinley und Wyrmford. Während die Armen und Vertriebenen die Einwohnerzahl von Cygnesbury zum Anschwellen brachten, nahm die Zahl der Leute bei Hofe ab. Als erster gingen Baron Carstey und seine Frau Grisel, dann Lord Laver und Lord Crowdycote sowie der junge Baron Foley und seine kranke Mutter. Allein oder zu zweit stahlen sie sich fort, um so viel wie möglich von ihren Ländereien und Reichtümern zu retten. Bald hatte der
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