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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Belago
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häufig die Namen, die ihnen ihre Besitzer gaben. Mein Vater hatte einen Hang zur griechischen Mythologie. Alle unsere Sklaven hatten solche Namen, und wenn ihm die Götter und Helden ausgingen, nahm er das griechische Alphabet oder einfach Zahlwörter.« Thijs schmunzelte. »Wie auch immer, Hestia hat mich aufgezogen wie ein leibliches Kind, ihre beiden Kinder Deka und Pente waren wie Geschwister für mich.«
    »Zehn und Fünf?«
    »Ja genau. Zehn und Fünf.«
    »Was ist aus ihnen geworden?«
    »Ich weiß es nicht.« Thijs schlug einen Moment den Blick nieder. »Ich bin 1857 in die Niederlande gebracht worden, sechs Jahre später, als die Sklaven befreit wurden, kamen meine Eltern nach, da war ich gerade sechzehn.« Er nestelte an seinen Fingern und sprach dann langsam weiter. »Seitdem habe ich nichts mehr aus der Kolonie gehört. Surinam rückte in weite Ferne und ich, ich machte meinen Abschluss, ging an die Hochschule …«
    Wim blieb nicht verborgen, dass Thijs tief berührt war, und wechselte das Thema. »Du hast studiert?«
    »Ja, Ingenieurwesen, das war aber nicht gerade mein Lieblingsthema … ich hätte besser Agrarwirtschaft wählen sollen. Ich hatte damals schon den Traum, nach Surinam zurückzukehren und eine Plantage zu bewirtschaften. Ich wollte nach Hause.«
    Wim wusste nur zu gut, wie es war, jahrelang einem Traum nachzujagen. »Und warum hast du es nicht gemacht … ich meine, warum bist du nicht nach Surinam zurückgekehrt?«
    »Tja«, Thijs hob die Hände als Zeichen der Resignation, »mein Vater war bereits gesundheitlich angeschlagen, als meine Eltern in die Niederlande kamen, und ich versuchte einfach, seinem Willen gemäß zu handeln. Ich studierte, arbeitete, war erfolgreich.«
    Jetzt lachte Wim leise auf. Er kannte das nur zu gut.
    »Nun, vielleicht kann ich jetzt noch etwas von meinem Kindheitstraum erfüllen«, fuhr Thijs, nun mit fester Stimme, fort. »Als ich die Unterlagen im Schreibtisch meines Vaters fand, stand mein Entschluss fest. Auch wenn der Urwald sich den Grundzurückerobert hat, will ich es wenigstens versuchen. Ich habe jedenfalls mit einigen Fachleuten in den Niederlanden gesprochen, und alle meinten, dass eine gut geführte Plantage durchaus noch eine lohnende Investition ist. Jetzt habe ich Geld, jetzt will ich es wagen. Ich will eine moderne Zuckermühle auf Watervreede bauen. Der Kolonialzucker hat, seit Zuckerrüben angebaut werden, kaum noch Wert. Dennoch, wenn er günstig und schnell in großen Mengen produziert werden kann … ganz umsonst soll mein Studium nicht gewesen sein.« Er lachte und blickte Wim offen ins Gesicht. »Und du, Wim, was machst du so?«
    Wim erwiderte den Blick und seufzte. »Ich trage auch das Lebenswerk meines Vaters auf«, sagte er wahrheitsgemäß, und dabei gelang es ihm nicht, einen sarkastischen Unterton zu unterdrücken. »Ich habe ein Handelskontor von ihm geerbt.«
    »Oh«, in Thijs’ Blick lag Erstaunen, »und um welche Güter geht es bei dir?«
    Wim zuckte die Achseln. »Kolonialwaren: Zucker, Rum, Tee, Kaffee. Alles, was sich günstig importieren lässt und in Europa Geld einbringt.« Er seufzte erneut.
    Thijs hingegen verzog sein Gesicht zu einem leichten Grinsen. »Prima, vielleicht kommen wir dann ja eines Tages sogar ins Geschäft.«
    Wim lächelte, musste sich aber im Stillen eingestehen, dass wohl weder der Handel ihm, noch Thijs die Plantagenwirtschaft eine große Zukunft versprach.
    Bei ruhiger See gesellte sich am nächsten Tag auch der Arzt Pieter Brick zu Wim und Thijs.
    »Mijnheer Vandenberg, wie geht es Ihrer Frau?«
    »Recht annehmbar, danke. Es war sehr freundlich von Ihnen, sich um sie zu kümmern.« Er war dem Mann in der Tat dankbar, trotzdem befiel ihn in seiner Gegenwart ein Unbehagen, das er nicht einordnen konnte. Sein Auftreten erschien Wim unnatürlich und stets gestellt. Außerdem verspürte Wim wenig Lust, über Gesine zu reden. Er war um jede Minute froh, die er ohne sie an Deck verbringen konnte.
    »Keine Ursache. Und Sie, ich hoffe Sie haben sich keinen Lungenkatarrh zugezogen in der kalten Nacht?«
    »Nein, mir geht es gut.«
    »Setzen Sie sich doch.« Thijs deutete auf einen freien Stuhl.
    »Gern.«
    Einen Moment genossen die Männer schweigend die laue Seeluft. »Und, Mijnheer Brick, was treibt Sie in die Kolonie? Wollen Sie dort praktizieren?« Thijs war kein Mann, der lange um den heißen Brei herumredete, das war Wim schon aufgefallen. Pieter Brick aber schien sich nicht daran zu stören und

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