Die Blume von Surinam
hätte ihn am liebsten beiseitegenommen und ihm gesagt, dass Väter manchmal schwer zu verstehen waren. Brick hingegen schien nicht gewillt, seinem Sohn noch mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen, er wandte sich sogleich Juliette zu. Und plötzlich hatte seine Stimme die Schärfe eines Messers.
»Juliette … wie ich sehe, hast du dich vorzüglich um mein Kind gekümmert. Und«, er ließ den Blick kurz schweifen, »um den Nachlass meiner Frau.«
Wim sah, wie Juliettes Augen sich bei dieser spitzen Bemerkung lauernd zu schmalen Schlitzen verengten und in ihr eine tief sitzende Wut hochzusteigen schien. Er kannte sie noch gut genug, um zu wissen, dass sie dieser Wut bald freien Lauf lassen würde. Schon als junges Mädchen hatte er diese Ausbrüche vorhersagen können und sie auch das ein oder andere Mal provoziert. Aber das hier war kein Kinderspiel, hier ging es um viel bedeutsamere Dinge. Die Luft schien vor Anspannung zu vibrieren. Ein Funke, und es würde lichterloh brennen. Das wusste offensichtlich auch Jean, der hastig das Wort ergriff.
»Lasst uns zu Tisch gehen.«
Sie hatten gerade Platz genommen, als Thijs eintraf. Er entschuldigte sich für die Verspätung und verlor sogleich viele belanglose Worte über die derzeitigen Wetterverhältnisse.
Wim setzte sich auf seinem Stuhl zurecht und musterte die Anwesenden aus den Augenwinkeln. Thijs redete immer noch über den Regen und den schlechten Zustand der Straßen, als wäre dies das wichtigste Thema der Welt. Auch er schien zu merken, dass dies kein gewöhnliches Abendessen war. Juliettes Gesicht war leicht gerötet, und sie atmete hastig. Die Anspannung war ihr deutlich anzusehen, auch wenn sie sich sicher um Beherrschung mühte. Martin hingegen hing nach wie vor an den Lippen seines Vaters, dankbar für jeden Satz, den er ihn jetzt sprechen hörte. Auch wenn sein Vater kein einziges Wort an ihn persönlich richtete. Henry saß schweigend neben Jean, sein Blick wanderte unablässig von seiner Mutter zu Martin und von diesem zu Pieter Brick. Er wirkte nervös. Wim hoffte, dass es nicht zu einem Eklat kam, die Spannung im Raum war für jeden greifbar. Außer für Gesine, wie Wim entnervt bemerkte. Seine Frau rutschte ungeduldig auf ihrem Stuhl hin und her, bis Thijs seine Ausführungen über das Wetter beendete. Gesine bedankte sich lange und ausschweifend bei Brick, nicht ohne die Schiffsreise noch einmal Revue passieren zu lassen. Ihr Mundwerk wollte nichtstill stehen. Dass ihr niemand richtig zuhörte, schien ihr nicht bewusst zu sein. Es gelang Wim nur mit Mühe, eine spitze Bemerkung zu unterdrücken.
Als Pieter Brick etwas später schließlich doch das Wort an seinen Sohn richtete, wurde die Spannung fast unerträglich. Er erkundigte sich jedoch zunächst lediglich nach dessen Befinden, den schulischen Leistungen und allgemeinen Interessen. Sein Tonfall war eher höflich denn interessiert, was Martin jedoch nicht zu bemerken schien. Er freute sich sichtlich über diese Wendung und mühte sich redlich, seinem Vater Rede und Antwort zu stehen. Wim entspannte ein wenig. Brick wusste offensichtlich, was von ihm erwartet wurde, und es war unwahrscheinlich, dass er die Situation in eine offene Konfrontation würde münden lassen.Wim hoffte nun auf einen glimpflichen Ausgang des Abends und lehnte sich im Stuhl zurück.
Als die schwarze Haushälterin schließlich die Teller abräumte, um den nächsten Gang zu servieren, bemerkte Wim überrascht, dass ihre Hände stark zitterten, insbesondere als sie sich um das Geschirr von Brick kümmerte. Hatte etwa auch sie etwas mit dieser Geschichte zu tun? Wie weit ging Bricks negativer Einfluss in diesem Haus?
Es war Henry, der das Gespräch schließlich auf Thijs’ Pläne auf Watervreede lenkte. Wim war nicht verborgen geblieben, dass Thijs Brick ebenfalls aufmerksam beobachtet hatte.
»Nun, Mijnheer Brick, was beabsichtigen Sie denn als Erstes in der Kolonie zu tun?«, fragte Thijs jetzt.
Brick lächelte. »Ich gestehe, dass ich mich noch nicht abschließend entschieden habe. Wie auf dem Schiff angedeutet, würde ich gerne wieder in die Plantagenwirtschaft einsteigen.« Dabei warf er Juliette einen Blick zu, den Wim nicht richtig zu deuten vermochte, der Juliette aber offensichtlich wieder in Wallung brachte. Nervös tupfte sie sich mit der Serviette die Mundwinkel ab, ohne Brick anzusehen.
Thijs fuhr unbeirrt fort. »Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns diesbezüglich einmal unterhalten könnten,
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