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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Belago
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und glänzte ineinem tiefen Schwarz. Ihr Gesicht hatten reife erwachsene Züge bekommen, aber es wurde auch immer deutlicher, dass sie nicht rein schwarzer Abstammung war. Als Kind hatte sie noch die charakteristisch flache Nase gehabt, diese hatte sich inzwischen gehoben und verschmälert. Auch war sie nicht mehr pausbäckig, die Wangenknochen verliehen ihrem Gesicht vielmehr eine schmalere Form.
    Karini seufzte und drehte sich in der Hängematte nochmals um. Besser, sie schlief jetzt. Morgen würde vermutlich Misi Gesines Gepäck ankommen, und alles auszupacken, das würde Stunden dauern.
    Karini wurde mitten in der Nacht von lauten Schreien aus dem Schlaf gerissen. Im ersten Moment wusste sie nicht recht, wo sie war. Dann spürte sie das Geflecht der Hängematte auf ihrer Haut.
    Im nächsten Augenblick wusste sie auch, wer die Schreie ausstieß: Misi Gesine! Karini sprang sofort aus der Hängematte und eilte aus der Hütte in Richtung des Lärmes. Es war stockfinster, aber sie kannte sich gut aus in diesem Dorf, auch im Dunkeln.
    Zwischen zwei Hütten stand Misi Gesine in Misi Juliettes weißem Morgenmantel wie eine geisterhafte Erscheinung und schrie aus Leibeskräften. Um sie herum leuchteten weiße Augenpaare auf. Die Bewohner der umliegenden Hütten waren ebenfalls herausgekommen, Misi Gesine aber schlug um sich und wehrte vehement alle Personen ab, die ihr eigentlich helfen wollten.
    »Misi Gesine! Misi Gesine, ich bin es, Karini.« Karini schob sich durch die Menge vor.
    »Geht weg … geht weg …« Misi Gesine drehte sich hysterisch im Kreis.
    Karini musste sie regelrecht anschreien, um zu ihr durchzudringen. »Misi Gesine!«
    »Oh … oh … gut, dass du da bist … diese Augen … und man sieht sie gar nicht … Hilfe! Sie wollten mich anfassen!«
    »Nein, sie wollen Ihnen helfen«, sagte Karini bestimmt und versuchte, ein amüsiertes Lächeln zu unterdrücken. Sie hörte selbst, wie barsch ihre Stimme klang, und fügte etwas sanfter hinzu: »Was machen Sie denn hier?« Die Misi aber antwortete nicht und blickte wild um sich. Karini zögerte kurz, dann griff sie nach dem Arm der Misi, um sie irgendwie zu beruhigen. Sie wusste, dass das unerhört war, und hoffte, dass Misi Gesine nicht böse sein würde, aber … sie benahm sich gerade wie eine Verrückte.
    Die anderen Schwarzen lachten und machten leise Scherze auf taki-taki .
    Karini zischte sie an, sie sollten verschwinden. Ein Mann klopfte ihr auf die Schulter und sagte: »Karini, kis ’yu blo , reg dich nicht auf«, dann verschwanden die amüsierten Dorfbewohner schnell wieder in ihren Hütten.
    »Misi Gesine, kommen Sie, ich bringe Sie zurück zum Gästehaus. Was wollten Sie denn hier?«
    »Geister, hier ist alles voller Geister …« Misi Gesine klammerte sich an Karinis Arm und ließ sich von ihr zurück in das Gästehaus führen.
    Karini entzündete im Flur eine kleine Öllampe. Im Licht der kleinen Lampe entspannte sich Misi Gesines Gesicht etwas, vor ihrer Zimmertür aber blieb sie stocksteif stehen.
    »Nein, da gehe ich nicht mehr hinein.«
    Karini war überrascht. »Ist etwas nicht in Ordnung mit Ihrem Zimmer, Misi Gesine?«
    »Nein … doch … da … da saß etwas an der Wand«, flüsterte sie, »ein Untier.«
    Karini gelang es nur mit Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. »Ich werde nachsehen.«
    Sie schlüpfte durch die Zimmertür und leuchtete einmal denRaum ab. Gleich neben dem Fenster, in der Zimmerecke, fand sie, was sie gesucht hatte. Eine große schwarze Spinne drückte sich in die Ecke, als hätte sie selbst Angst. Mit den Spinnen und den Weißen ist es ein bisschen wie mit den Schwarzen und den Weißen, dachte sie bei sich. Die Weißen haben Angst vor ihnen, obwohl sie, weder die Spinnen noch die Schwarzen, ihnen etwas tun. Karini wusste, dass diese Spinnen in Surinam willkommene Haustiere waren, fingen und fraßen sie doch allerlei Ungeziefer, allen voran die großen Kakerlaken, die es hier zuhauf gab. Sie hatte selbst gesehen, dass die schwarzen Haushälterinnen in der Stadt, bei Abwesenheit der Herrschaften, die Spinnen zu diesem Zweck sogar absichtlich in den Räumen aussetzten. Kleine Jungen verkauften die Tiere aus geflochtenen Körbchen auf der Straße. Aber wehe, ein Weißer bekam eine dieser achtbeinigen Haushaltshilfen zu Gesicht, da war das Geschrei immer groß. Karini kicherte. »Na, dann komm mal her, du Untier «, sagte sie leise. Vorsichtig nahm sie die Spinne in die Hand und trat in den Flur. Die Hand,

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