Die Blume von Surinam
Frau einmal möglich sein würde. Aber, und das war der wesentliche Punkt, es war wirklich nur eine Freundschaft. Von beiden Seiten.
Erika hatte Wim an einem mondhellen Abend am Fluss leise und mit brüchiger Stimme erklärt, sie hoffe, dass er keine Absichten bei ihr hegte. Diesen Wunsch könne sie ihm nämlich nicht erfüllen. Wim war sofort sehr erleichtert gewesen, er hatte schon Sorge gehabt, sie könnte Gefühle für ihn entwickeln, die er nicht erwidern würde. Diese Enttäuschung hatte er ihr gerne ersparen wollen. »Nein, Erika, was auch immer zwischen uns ist, es wird sich immer nur um eine rein … freundschaftliche Verbundenheit handeln.« Sie hatte ebenfalls zutiefst erleichtert gewirkt.
Einige Wochen später hatten sie begonnen, sich gegenseitig ihr Seelenleben zu offenbaren. Zaghaft zunächst, doch schnell immer offener und stets ehrlich. Wim hatte noch nie mit jemandem über seine Beziehung zu Hendrik geredet. Auch Erika gegenüber hatte er sich geschämt, aber sie hatte ihn ermutigt. »Wim, das ist nichts Schlimmes, ich werde die Letzte sein, die dir Vorhaltungen macht.« Sie hatte ihm die Hand auf den Arm gelegt und ihn gezwungen, ihr in die Augen zu schauen. Und Wim hatte geredet. Und geredet. Von Hendrik, von seinem Vater, seinem Leben mit Gesine, seinen Wünschen, Träumen und Hoffnungen. Es war, als würde ihm ein schwerer Felsen von der Seele genommen, er fühlte sich regelrecht erleichtert. Er wusste seine Geschichte bei Erika gut aufgehoben. Erika hingegen hatte sich schwerer daran getan, ihm ihre Geschichte zu erzählen. Was Wim schließlich zu hören bekam, steigerte seine Bewunderung für diese Frau noch. Seine eigenen Sorgen erschienen dagegen klein und unscheinbar.
Erika war von einem Plantagenbesitzer über lange Zeit gedemütigt und misshandelt worden. Die körperlichen Übergriffe wogen so schwer, dass sie es sogar vorgezogen hatte, zu sterben, als die Gewalt länger ertragen zu müssen. Die Geschehnisse setzten Erika noch heute zu, war ihre damals noch ungeborene Tochter doch im Zuge der tätlichen Übergriffe gezeugt worden. Erika trug schwer daran, sie hatte ihre Tochter nie lieben können und machte sich das zum Vorwurf. Wim hatte versucht sie zu trösten, auch wenn er wusste, dass keine Worte der Welt diesen Schmerz vergessen lassen konnten.
Erika sagte ihm deutlich, dass es ihr nie wieder möglich sein würde, sich auf einen Mann einzulassen. Aber das Leben als alleinstehende Frau war nicht leicht. Trotz aller Bemühungen fühlte sie sich immer einsam, stand sie am Rand der Gesellschaft. Wim wusste, welches Gefühl sie meinte, auch er kannte es besser, als ihm lieb war.
Etwas später hatte Wim eher scherzhaft angemerkt, dass siedoch eigentlich das perfekte Paar seien. Und aus diesem Scherz war nach gründlicher Überlegung ein Plan gereift. Eine augenscheinliche Beziehung würde sich nach außen durchaus positiv auswirken und barg zugleich für sie beide keine Gefahren. Aus einer zunächst absurden Idee wurde nach und nach Ernst. Wim hatte sich von Gesine getrennt, um offiziell eine Beziehung mit Erika einzugehen.
Inzwischen waren sie seit einigen Wochen zurück in Paramaribo. Dort stieß sich niemand an dem Paar. Im Gegenteil, im Kinderhaus wurden sie euphorisch empfangen, und Wim fühlte sich in die kleine, etwas außergewöhnliche Familie gleich gut aufgenommen. Was Erikas leibliche Kinder von ihm halten würden, stand noch in den Sternen, Erika versicherte ihm aber, er bräuchte sich keine Sorgen zu machen. »Reiner lebt die meiste Zeit im Regenwald, da schert man sich um Beziehungen nicht so wie in der Stadt. Die Eingeborenen haben andere und offenere Sitten.« Erika errötete leicht. »Und Hanni … ich weiß auch nicht.« Erika zuckte mit den Achseln.
Dass Wim noch verheiratet war, daran erinnerte sich in der Stadt niemand. Erika verwies ihn an einen seriösen Advokaten, der die nötigen Scheidungspapiere aufsetzte. In den Niederlanden würde dies sicherlich höhere Wellen schlagen. An seinen Schwiegervater mochte Wim dabei gar nicht denken, aber auch diese Wogen würden sich glätten. Gesine war noch jung, und ihr würden viele Männer zu Füßen liegen. Selbst Pieter Brick war ja offensichtlich nicht abgeneigt.
Wim genoss die neu erlangte Freiheit. Und sobald Gesine in die Stadt kam und in die Scheidungspapiere einwilligte, konnte sein neues Leben beginnen.
Kapitel 21
W ir müssen irgendetwas tun.« Karini war verzweifelt. Auch an diesem Morgen gab es keine
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