Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Belago
Vom Netzwerk:
hatte sich diesem Genuss jetzt schon des Öfteren hingegeben, wenn auch mit einem schlechten Gewissen. Aber heute? Der Tag war erfolglos gewesen, wieder hatte er Karini nicht gefunden, und seine Laune war in dem Takt gesunken, in dem die Frühlingsstimmung um ihn herum gestiegen war. Vielleicht sollte er wirklich … er zuckte die Achseln und ließ sich von dem Mann über die Straße in dessen Schankraum führen.
    Henry stellte überrascht fest, dass es in diesem Schankraum in der Tat nicht so verqualmt und düster war wie in manch anderem in Amsterdam. Er suchte sich einen freien Tisch, was nicht einfach war, das Lokal war gut besucht, und der eifrige Gastwirtstellte auch sogleich einen Humpen vor ihn. Henry gab dem Mann einen Gulden und nickte.
    »Einen schönen Abend wünsche ich, Mijnheer. Und sollten Sie Interesse an einem der Mädchen haben, sagen Sie Bescheid. Wir haben saubere Zimmer und …«
    Henry winkte ab und der Gastwirt zog sich zurück. Wehmütig beobachtete er die jungen Damen, die im Gastraum umherschwirrten wie einst Kolibris in dem Plantagengarten von Rozenburg. Er ertränkte sein aufkommendes Heimweh mit einigen großen Schlucken Bier. Die kleine Drei-Mann-Kapelle am Fuß einer kleinen Tanzbühne spielte auf, und hinter einem fadenscheinigen Vorhang tauchte eine Tänzerin auf. Henry interessierte das Programm nicht, er hielt sich an seinem Humpen Bier fest und schaute auf die verschwindende Krone. Plötzlich jedoch kamen die Füße der Tänzerin in sein Blickfeld. Sein Gehirn registrierte sie mehr, als dass er sie mit den Augen wahrnahm, und dann fand dieses Bild den Weg in sein Bewusstsein. Irgendetwas stimmte nicht und irgendetwas war ihm vertraut. Die Haut war zerschunden und zudem noch dunkel – welche niederländische Frau hatte schon solche Füße? Neugierig blickte er auf und traute seinen Augen nicht: Dort auf der Bühne tanzte Karini zu den Klängen der Musik! Spärlich bekleidet mit einem Baströckchen und einer Blumengirlande tänzelte sie über die Bretter. Zuerst dachte er, sein Geist wolle ihm einen Streich spielen. Irritiert nahm er einen weiteren großen Schluck aus seinem Glas, dann sah er genauer hin, konnte aber nichts mehr erkennen. Die Männer im Gastraum scharten sich johlend um die Bühne. Henry versuchte, sich nach vorne durchzudrängen, er winkte und rief, kam aber nicht bis zur Bühne durch. Die Musik endete, Karini verbeugte sich und huschte wieder hinter den Vorhang. Im Gastraum kehrte Ruhe ein, und Henry nutzte die Gelegenheit, um mit einem Satz auf die Bühne zu klettern.
    »Hehe, junger Mann, nicht so eilig.« Jemand packte ihn amBein und zog ihn wieder herunter. »Wenn Sie ein Mädchen wollen, müssen Sie Bescheid sagen.« Henry blickte direkt in die Augen des kleinen, dicken Gastwirtes.
    »Nein … ich muss unbedingt mit diesem Mädchen …«
    »Das steht der Kundschaft momentan nicht zur Verfügung. Ich hab noch eine schöne Rote, soll ich die mal rufen?«
    »Nein, Sie verstehen nicht … ich will nicht … ich muss mit dem Mädchen reden, ich kenne es, es heißt Karini.«
    Jetzt hielt der Gastwirt inne. »Sie kennen Karini also?«
    »Ja, ich kenne sie, sie kommt aus Surinam und ich … ich suche sie seit Langem!«
    Henry spürte, wie seine Wut wuchs. Nun hatte er so lange nach Karini gesucht, war ihr bis nach Europa gefolgt, wochenlang durch Amsterdam geirrt und hatte sie nun endlich gefunden – da würde dieser Mann ihn nicht davon abhalten, sie anzusprechen! Energisch schob er sich an dem Gastwirt vorbei.
    »Hierbleiben, Bürschchen …« Der Mann packte ihn mit erstaunlicher Kraft am Ärmel. »Reden, sagen Sie … nun, reden kostet hier auch zwei Gulden.«
    »Zwei Gulden? Ich will mit ihr reden, nicht mehr!«
    »Trotzdem.« Der Gastwirt setzte eine bestimmende Miene auf.
    Henry sah ein, dass er keine Wahl hatte. Er kramte in seiner Jackentasche. Es war das letzte Geld, das er bei sich hatte. »Hier … und jetzt bringen Sie mich zu ihr.«
    Der Gastwirt grinste feist, ließ die Münzen in seiner Tasche verschwinden und bedeutete Henry, mitzukommen.
    Henry folgte ihm hinter den Gastraum in einen kleinen Flur und durch eine weitere Tür. Der Mann öffnete diese und rief in den Raum: »Besuch für Karini!« Vor ihnen erschien eine üppige Blondine, die misstrauisch erst auf den Gastwirt schaute und dann auf Henry.
    »Jette, wenn der Bursche Ärger macht … du weißt ja, wo ichbin.« Mit diesen Worten gab er Henry einen Schubs, dass er fast an

Weitere Kostenlose Bücher