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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Belago
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wollte sie ihm auch alles erzählen, aber was würde dann werden? Würde er sich dann nicht einfach umdrehen und gehen, zurück nach Surinam? Ohne sie, und vor allem: ohne das Kind? Wie sollte, wie konnte sie ihm nur erklären, was geschehen war? Würde sie ihm ihre Gefühle überhaupt glaubhaft vermitteln können, und, noch wesentlicher, war es nicht wahrscheinlich, dass ihre Worte etwas an seinen Gefühlen für sie änderten? »Ach Henry, das ist eine lange Geschichte«, begann sie zögerlich. »Ich … ich muss nachher noch einmal auf die Bühne, aber dann will ich es dir erzählen. Wartest du auf mich?«
    »Ja, natürlich warte ich auf dich! Glaubst du, ich lasse dich jetzt noch einmal aus den Augen?« Das Lächeln, das er ihr schenkte, war liebevoll.
    Und es stach schmerzhaft in Karinis Herz. Wie lange noch würde er so für sie empfinden? Was, wenn das, was sie ihm sagen würde, ihn enttäuschte? »Wir sprechen nachher. Geh … geh wieder nach vorne in den Schankraum. Ich komme später zu dir.« Sie drängte ihn zur Tür. Sie brauchte einen Moment für sich, um ihre Gedanken und Gefühle zu ordnen.
    »Kann ich nicht hier warten?«
    »Nein, die Mädchen müssen sich gleich wieder umziehen.«
    Widerwillig ließ er sich von ihr aus dem Raum schieben.
    »Später. Versprochen.« Sie schloss energisch die Tür hinter ihm und lehnte sich rücklings an das raue, alte Holz. Wieder flossen ihr Tränen über die Wangen, dieses Mal aus Verzweiflung. Was sollte sie ihm nur sagen? Wie sollte sie ihm erklären, dass sie ein Kind von einem Fremden erwartete?
    Spät in der Nacht, nachdem Karini ihren letzten Tanz aufgeführt hatte, verschwand sie nicht hinter dem Vorhang, sondern trat zu Henry an den Tisch.
    Sie hatte sich entschieden, ihn nicht anzulügen. Wenn sie es ihm nicht erzählte, würde sie ihn fortschicken müssen, und das brachte sie nicht übers Herz, weder um ihrer selbst noch um seinetwillen. Er war monatelang auf der Suche nach ihr gewesen, hatte die weite Reise auf sich genommen, sein ausgezehrtes Gesicht und seine ehrlichen Worte und Gesten sprachen Bände. Er meinte es ernst. Das schmeichelte ihr, bereitete ihr aber zugleich auch Angst. Dennoch würde sie nicht davonlaufen. Dieses Mal nicht.
    »Da bin ich.« Etwas zögerlich setzte sie sich zu ihm.
    Er nahm gleich ihre Hand in die seine und drückte sie. »Ich freue mich so! Jetzt fahren wir wieder nach Hause.« Sein Lächeln war voller Zuversicht. Karini wurde warm ums Herz. »Aber jetzt sag mir: Wie bist du hier gelandet?«
    Schlagartig war der kurze, zauberhafte Moment vorbei. Es war Zeit für die Wahrheit. »Ach, Henry«, Karini sah ihm fest in die Augen, »Misi Gesine war nicht sehr nett zu mir. Da bin ich … ich bin einfach …«
    »Fortgelaufen, ja, ich weiß. Ich war bei Gesine.« Kurz verdunkelten sich seine Augen und Karini meinte, Wut in seinem Blick zu erkennen.
    »Ich wusste nicht, wo ich hinsollte und …« Karini spürte, wie ihr die Tränen in die Augen traten, obwohl sie sich fest vorgenommen hatte, nicht zu weinen. »Und die Menschen in diesem Land waren so unfreundlich und gar nicht nett zu mir. Da habe ich Tante Dela getroffen, sie hat mir geholfen. Und ich konnte bei ihr und den Mädchen bleiben.«
    »Tante Dela?«
    »Tante Dela hat eine kleine Herberge, in der die Mädchen wohnen.« Karini deutete auf Karla, Johanne und Beke, die jetzt aus dem Umkleideraum in die fast leere Wirtschaft gekommen waren, um an der Theke mit Onkel Alvers abzurechnen. Als sie den Kopf in Henrys Richtung wandte, sah sie, dass er verstand.
    Und richtig. »Karini, das … das sind Huren, oder?«, sagte er zögernd.
    Das Wort klang hart in Karinis Ohren, auch wenn sie in seinem Blick las, dass er es nicht so meinte. »Ja, es sind Huren … und sie haben mir geholfen.« Henry war nicht dumm. Die nächste Frage lag nahe, das wusste Karini.
    »Hast du auch … ich meine …?«
    »Ja, Henry.« Die Worte kamen ihr unendlich schwer über die Lippen, aber sie wollte ihn nicht belügen.
    »Oh.« Er senkte betroffen den Blick und zog seine Hand von der ihren.
    Die Geste sagte mehr als tausend Worte, und Karini konnte es ihm nicht verdenken. Aber sosehr es auch schmerzte, sie wollte zumindest versuchen, sich zu erklären. »Ich brauchte Geld und eine Bleibe. Bitte versteh doch: Tante Dela und Onkel Alvers haben mich nie zu etwas gezwungen, sie haben mich immer gut behandelt. Besser als jeder andere in dieser Stadt.«
    Karini wartete auf seine Reaktion. Sie hatte

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