Die Blume von Surinam
dann das Glas auf den Tisch und schüttelte den Kopf. »Ich muss! Die Gräben müssen kontrolliert werden«, sagte er mit matter Stimme und ließ sich auf den freien Stuhl neben Julie fallen. Mit dem Hemdsärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn, woraufhin Julie ihm wieder einen tadelnden Blick zuwarf. Sie benahm sich hier auf der Plantage zwar auch nicht immer wie eine feine Dame aus der Stadt, versuchte aber doch, in ihrer Familie Anstand zu wahren.
Julie sah ihm an, dass der zusätzliche Ärger ihn zermürbte. »Sie sagen, sie müssen jetzt irgendein Fest feiern, durga puja oder so ähnlich. Jetzt habe ich sie gerade so weit eingearbeitet, dass ich sie ohne Bedenken auf die Felder lassen kann und dann …« Jean hob resigniert die Hände.
Julie konnte seine Enttäuschung gut verstehen, er kämpfte schließlich hart um das Wohl der Plantage. »Naja, den Sklaven haben wir ja auch das eine oder andere Fest zugestanden, und wir versuchen, am Sonntag nicht zu arbeiten. Ich denke, wir sollten diesen Leuten auch ihren Glauben lassen.« Sie wusste, dass er es sich mit den Indern leichter vorgestellt hatte. Hatten die ehemaligen Sklaven und die nachfolgenden Arbeiter doch allesamt Erfahrungen auf den Zuckerrohrfeldern gehabt, so musste er nun die gut einunddreißig einsetzbaren Arbeitskräfte von Grund aufanlernen, der Rest waren Frauen und Kinder. Zwar halfen ihm seine drei Vorarbeiter Dany, Joshua und Galib, ihnen fiel der Umgang mit den Fremden allerdings noch schwerer.
Galib hatte bereits einmal einen Tumult heraufbeschworen, als er einen der Zugochsen, der an der Mühle eingesetzt wurde, mit der Peitsche antrieb. Einige der Inder schienen ihm dies sehr übel zu nehmen und redeten wild auf ihn ein. Die Schwarzen lösten Konflikte unter sich meist mit den Fäusten, die Inder hingegen waren zäh und drahtig, aber an Körpergröße und Kraft den Schwarzen bei Weitem unterlegen. Nachdem die indischen Männer bei einigen kleineren Auseinandersetzungen schon deutliche Blessuren davongetragen hatten, hatte Jean seine Vorarbeiter angewiesen, tunlichst darauf zu achten, dass es zwischen den Schwarzen und den Indern nicht zu Handgreiflichkeiten kam. Aber als Galib sich so offensichtlich angegriffen gefühlt und die schwarzen Arbeiter sofort Partei für ihn ergriffen hatten, hatte Jean mit seinem Pferd in die Menge sprengen müssen, um die Streitenden auseinanderzutreiben.
Alles in allem, so hatte Jean vor ein paar Tagen beim Abendessen Resümee gezogen, hatten die indischen Kontraktarbeiter bisher mehr Arbeit gemacht als geleistet. Julie hatte gehofft, das würde sich allmählich zum Besseren kehren, aber die Botschaft, die Jean ihr nun gerade unterbreitet hatte, ließ Schlimmes erahnen.
Am späten Nachmittag versuchte Julie zu erfahren, was es mit dem Fest auf sich hatte. Sie wandte sich an Sarina, die junge Inderin, derer sie sich im Fort angenommen hatte. Sarina arbeitete seit ihrer Ankunft auf der Plantage im Haus und Julie war begeistert von deren Fingerfertigkeit beim Nähen. Binnen weniger Tage war es der jungen Frau gelungen, sämtliche Vorhänge des Hauses nach einer Vorlage nachzuarbeiten, die Julie einem älteren Magazin entnommen hatte und die die europäische Mode derFensterdekoration abbildete. Die alten schweren Vorhänge, die schon seit vielen Jahren vor den Fenstern hingen und an einigen Stellen recht fadenscheinig wirkten, waren Julie längst ein Dorn im Auge gewesen. Da die Plantage aber gerade einmal genug zum Leben abwarf, konnte Julie es sich nicht leisten, einfach in der Stadt eine neue Innendekoration zu bestellen. Zudem fehlte ihr jeglicher Eitel, was die Wohnräume anging.
Julie war froh, diese Aufgabe für Sarina gefunden zu haben. Die Beschäftigung der anderen neuen weiblichen Arbeitskräfte gestaltete sich hingegen schwieriger. Liv hatte die indischen Frauen für die Küche und die Kostäcker angelernt, damit sie sich selbst versorgen konnten. Jede Hütte des Dorfes besaß einen eigenen Kostacker, auf dem die Bewohner allerlei anbauen konnten, nicht wenige besaßen dort sogar einen Hühnerstall. Aber insgesamt entsprachen diese Tätigkeiten der Arbeiterinnen nicht dem Pensum eines ganzen Tages. Jean sprach schon davon, sie auch auf den Feldern einzusetzen, aber Julie zögerte noch, dem zuzustimmen, die Arbeit dort war hart. Und da Sarina von allen am anfälligsten schien, hatte Julie bestimmt, dass ihr zunächst nur Aufgaben im Haus zugeteilt würden. Nachdem Julie per Zeichensprache
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