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Die Blume von Surinam

Die Blume von Surinam

Titel: Die Blume von Surinam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Belago
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doch ein kleiner Garten gegenüber diesen großen Pflanzungen.«
    Jean schwieg. Julie wusste, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte. Jean lebte in der stillen Hoffnung, dass es immer so weitergehen würde. Aber sein besorgtes Gesicht, wenn er aus dem Büro kam, sprach Bände. Die Plantage Rozenburg musste bald einen Weg finden, sich gegen die großen Plantagen zu profilieren, sonst bestand die Gefahr, dass sie spätestens in ein paar Jahrenebenso vom Regenwald zurückerobert werden würde wie so viele der anderen kleineren Pflanzungen.
    Julie schauderte. Sosehr sie sich auch mühte, den Gedanken zu verdrängen, es gelang ihr nicht. Was würden sie dann tun? Sie hatten nicht, wie so viele andere Kolonisten, die Möglichkeit, in den sicheren Schoß des europäischen Kontinents zurückzukehren und dort von einem anderen Familienzweig, der vom ehemaligen Reichtum der Plantage in Übersee noch wohlhabend dastand, aufgenommen zu werden.
    Nicht umsonst hatten in den letzten dreißig Jahren die Kolonisten ihre Sprösslinge überwiegend in die Niederlande oder nach England geschickt und hatten sich schließlich auch dort aufs Altenteil zurückgezogen. Die Kolonie starb aus, oder besser gesagt die weißen Kolonisten. Junge Leute, wie Julie und Jean, die noch am Anfang ihrer Existenz standen, gab es kaum, und wenn, dann wurden sie als gutgläubige Enthusiasten belächelt.
    Der überwiegende Teil der Kolonie war inzwischen fest in der Hand der ehemaligen Sklaven, Chinesen und unzähligen Mulatten. Selbst die jüdischen Händler wurden nach und nach verdrängt. Sie hatten einen eigenständigen Kreis aufgebaut, der allerdings nicht auf den Export von Gütern ausgelegt war, sondern den inneren Handel der Kolonie bediente. Dadurch hatten sich auch die Niederlande als Handelspartner immer mehr zurückgezogen. Handelswaren wie Kaffee und Kakao gab es auch in profitableren Kolonien. Die Zuckerexporte waren durch die Zuckerrübenindustrie in Europa fast zum Erliegen gekommen, und selbst der Versuch mit den indischen Kontraktarbeitern war eine halbherzige Aktion gewesen, das Stück Land am anderen Ende der Welt weiterhin zu bewirtschaften. Ohne Kolonisten aber war dies fast unmöglich.
    Julie konnte sich nicht dran erinnern, wann die letzten Neusiedler angekommen waren. Seit ihrer eigenen Ankunft in Surinam hatte es eigentlich keine nennenswerten Übersiedlungengegeben. Karl hatte ihr noch vorgeschwärmt, dass neue Landstriche urbar gemacht würden, um die Plantagenwirtschaft zu erweitern. Die wenigen Ankömmlinge indes waren zumeist schnell wieder in die Stadt oder gar nach Europa zurückgekehrt oder einer der tückischen Tropenkrankheiten erlegen. Wenigen Deutschen war es gelungen, sich mithilfe der Holzwirtschaft im Hinterland zu etablieren, der Handel jedoch fand überwiegend mit der benachbarten französischen Kolonie Guyana oder mit Nordamerika statt. Die meisten Menschen, die von den Schiffen aus einen Fuß auf surinamischen Boden setzten, zog es inzwischen gleich tief in den Regenwald zu den Goldvorkommen. Wo es aber mehr Opfer als große Goldfunde zu verzeichnen gab.
    Jean nahm Julies Hand. Beide schwiegen nachdenklich. Julie ahnte, dass Jean keine Ruhe geben würde, bis er nicht wusste, was Wim wollte. Julie hingegen dachte an die alten Zeiten in den Niederlanden. Wim war damals ein Freund für sie gewesen. Und in diesem Moment bedauerte sie, dass sie sich nie bei ihm gemeldet hatte. Vielleicht … vielleicht war es wirklich an der Zeit, ihn wiederzusehen.
    Jean schien wieder einmal ihre Gedanken gelesen zu haben. »Lass uns erst einmal abwarten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dein Cousin keine bösen Hintergedanken hat. Wir werden ihn als Gast aufnehmen, wie es sich gehört, und dann herausfinden, was ihn hierhertreibt.«
    »Eine andere Möglichkeit haben wir ja gar nicht.« Julie zuckte mit den Achseln, beugte sich vor und hob ihre Tochter aus dem Körbchen.

Kapitel 3
    G esine, ich glaube nicht, dass wir das alles mitnehmen kön- nen.«
    Wim stand vor einem großen Stapel Handkoffer, die flankiert waren von vier weiteren mannshohen Schrankkoffern. Das Hausmädchen wuchtete zudem gerade einen weiteren Koffer die Treppe hinab.
    »Aber, Wim, ich brauche das alles.« Gesine hatte sich mit einem vorwurfsvollen Gesichtsausdruck neben dem Stapel aufgebaut und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Ihre braunen Löckchen umspielten ihr Gesicht wie kleine Medusenarme, und ihre Augen wurden bereits wieder schmal.
    Wim

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