Die Blume von Surinam
gesicherte Zukunft versprochen hatte. Keiner von ihnen war dem Charme der jeweiligen Frauen erlegen. Ohne diesen kleinen Anstoß hätte sein Vater seine wenig liebreizenden Töchter wohl kaum verheiraten können. Martha war das perfekte Pendant zu Wims Mutter: klein, hager, mit stoisch hochmütigem Gesicht und herrischem Wesen. Dorothea hingegen war sehr füllig, melancholisch und zerfloss die meiste Zeit in Depressionen.
Wim seufzte und strich mit der Hand über das dunkle Holz des Schreibtisches. Ein altes, seltenes Holz, das irgendwann einmal als stolzer Baum gefällt worden war, um dann hier in diesem dunklen Büro im Amsterdamer Kontor des Wilhelm Vandenberg zu enden. Wie so vieles, was Wilhelm Vandenberg einfach nach seinem Gutdünken gefällt und eingefordert hatte. Auch Wim hatte zur Genüge erfahren müssen, dass sein Vater nur eine Meinung kannte, und das war seine eigene.
Bei allen Handlungen seines Vaters steckte stets ein Plan dahinter. Wim hätte ahnen müssen, dass sein Vater ihm das Verfassen der Artikel nicht ohne Hintergedanken gestattete, war aber dennoch überrascht gewesen, als Wilhelm schließlich seine Verbindungen spielen ließ.
Der Verleger, Karel van Honthorst, war eine angesehene Persönlichkeit der Amsterdamer Gesellschaft – und er hatte eine Tochter, Gesine. Bevor Wim sich versah, hatte sein Vater hinterrücks die Fäden gesponnen und in Wims Namen bei van Honthorst um Gesines Hand angehalten. Wim kochte noch heute vor Wut, wenn er daran dachte. Er hatte sich fürchterlich mit seinem Vater gestritten, aber der war auf Wims Widerstand vorbereitet: Wollte Wim seine Arbeit als Korrespondent behalten und auch den Verleger nicht vor den Kopf stoßen, was zur Folge gehabt hätte, dass Wim in den Niederlanden im journalistischen Bereich nie wieder eine anständige Anstellung bekommen hätte, mussteer die Pläne seines Vaters wohl oder übel erfüllen und Gesine heiraten. Für Wilhelm ging es allein um die damit etablierte Beziehung zwischen dem Handelskontor Vandenberg und dem Verlagshaus van Honthorst.
Dass Wilhelm Vandenberg damit weitaus mehr zerbrochen hatte als Wims augenscheinliche Aufmüpfigkeit, das wusste niemand außer Wim. Die Heirat mit Gesine war für ihn gleichbedeutend mit einem schier unermesslichen Verlust, musste er doch in diesem Moment den Menschen zurücklassen, der ihm in seinem Leben wichtiger gewesen war als alles andere: Hendrik. Wim kannte Hendrik schon aus Studienzeiten, und es war durchaus mehr als Freundschaft gewesen, was die beiden verbunden hatte. Wim hatte der Sinn nie recht nach jungen Damen gestanden, was ihm selbst lange Zeit Sorge und Unbill bereitet hatte. Erst als Hendrik ihn mitnahm in die Gesellschaft , die sich nachts traf, wo man debattierte, diskutierte, aber auch Beziehungen der ungewöhnlichen Art pflegte, wurde ihm klar, dass er sich wegen seiner Neigung nicht länger Sorgen machen musste. Trotzdem war es ein Geheimnis, das er wahren musste; nicht auszudenken, wenn sein Vater davon erfahren hätte.
Wim war sich allerdings bis zuletzt nie ganz sicher gewesen, ob dieser nicht doch etwas geahnt hatte. Wilhelm Vandenberg hatte seinen Sohn mit siebzehn Jahren in ein Freudenhaus geschleppt, um ihn in den Umgang mit Frauen einzuführen. Das war nicht unüblich, allerdings hatte Wim sich sehr geniert. Nicht vor den Damen, sondern weil sein Vater dort ganz offensichtlich Stammgast war. Madame Isabella … die Frau hatte Wim zwar mit viel Feingefühl eingewiesen, die Freude an Frauen wollte sich bei Wim trotzdem nie einstellen.
Jetzt schmunzelte er bei dem Gedanken an diese Nacht. Eigentlich sollte er seinem Vater und vor allem Madame Isabella dankbar sein, seine ehelichen Pflichten gegenüber Gesine hätten sonst wohl in einer Katastrophe geendet.
Hendrik war Wim über die Jahre stets ein guter Freund gewesen und letztendlich auch sein Liebhaber geworden. Seines Vaters Weisung zur Heirat mit Gesine hatte diese wertvolle Beziehung zerbrechen lassen. Wim hatte darüber viele Wochen hitzig mit Hendrik gestritten. Hendrik hatte nicht verstanden, warum Wim sich seinem Vater nicht widersetzte.
»Ich werde alles, aber auch wirklich alles verlieren«, hatte Wim um Verständnis gebeten.
»Du bist ein Angsthase!«, hatte Hendrik ihm ins Gesicht geschmettert. »Du wirst nie aus dem Schatten deines Vaters heraustreten können.«
Wim ahnte, dass er recht hatte, und war innerlich fast daran zugrunde gegangen. Dieser elende Zwiespalt! Aber er wusste, dass
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