Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
Stall, band sie zusammen und führte die Maultiere mit einer Hand an der Leine, während sie mit der anderen Valentine ziemlich unsanft hinter sich herzog.
»Komm schon, wir müssen uns beeilen, sonst geht die Sonne unter und es wird stockdunkel. Dann können wir keine Kastanien mehr suchen.«
Die Kleine tapste hinter der Kinderfrau her, und sie ließen die Place Foire-le-Roi hinter sich und bogen zum Fluss ab.
»So, und jetzt rauf mit dir!«, befahl Léone.
Als sie sah, dass Valentine nicht auf das Muli wollte, redete sie ihr gut zu.
»Wenn du reitest, wirst du nicht so schnell müde und wir können einen längeren Ausflug machen. Ich habe übrigens neulich besonders schöne, dicke Kastanien gesehen, aber sie sind etwas weiter weg. Ganz da hinten«, sagte sie und zeigte auf ein paar hohe Kastanienbäume am Horizont.
»Das ist viel zu weit«, meinte Valentine, kletterte aber brav auf Amandine.
»Nein, du wirst schon sehen, es ist nicht so weit. Nicolas freut sich bestimmt über so schöne, große Kastanien, und Mathilde wird erst staunen. Und deine Mama hat sicher noch nie so schöne Kastanien gesehen.«
Léone setzte sich auf das andere Muli, und sie trabten ein Stück, bis Léone nach links vom Weg abbog.
»Die Kastanienbäume sind aber da vorn«, protestierte die Kleine und zeigte mit dem Finger auf die Straße, von der sie gerade abgebogen waren.
»Still, ich weiß schon, wohin wir müssen.«
Der Weg führte zu den alten Färbereiwerkstätten, verfallenen Baracken und Gruben, in die man früher die Bottiche geleert hatte und wo sich ihr Geliebter Théodore versteckt hatte, um auf seine Schwester Tania zu warten.
»Ich will nach Hause!«, rief Valentine ängstlich. Irgendwie
ahnte sie, dass etwas nicht stimmte. »Bitte, Léone, bring mich nach Hause. Ich will nicht mehr Kastanien suchen!«
»Du tust, was ich dir sage«, bekam sie zur Antwort. »Und nenn mich nicht Léone. Ich heiße Béraude. Hast du verstanden? Béraude! Außerdem bringe ich dich nicht nach Hause. Nie wieder!«
»Nicolas!«, rief Valentine. »Nicolas«, schluchzte sie und begann zu weinen.
25.
Als es Mittag wurde und Léone und Valentine noch immer nicht zurück waren, machte sich Bertille allmählich Sorgen. Sie wartete, bis es zwölf Uhr schlug, weil sie nicht überängstlich wirken wollte, ehe sie sich mit Mathilde an der Hand wieder auf den Weg in die Werkstatt machte.
Alix saß neben Nicolas und sah ihm zu, wie er Buchstaben malte. Manchmal gab ihm Pierrot einen Rat, den der Junge zwar freundlich anhörte, sich aber im Stillen dachte, er würde sicher bald mehr können als Pierrot, weil Alix seine Lehrerin war.
»Was willst du denn hier, Bertille?«, fragte Alix erstaunt.
»Ich mache mir Sorgen, Léone und Valentine sind noch immer nicht zurück.«
»Bestimmt kommen sie bald.«
Doch die treue Seele schüttelte den Kopf.
»Ich habe wirklich Angst!«
Angesichts Bertilles besorgter Miene stand Alix auf.
»Komm, Nicolas, wir gehen nach Hause. Und du kommst mit, Pierrot. Wenn sie nicht bald zurück sind, nehmen wir die Mulis und gehen sie am Flussufer suchen. Wahrscheinlich haben sie sich nur unter einen großen Baum gelegt und sind eingenickt.«
»Es ist viel zu kalt, um im Gras zu schlafen«, grummelte Bertille.
Als sie sahen, dass die Maultiere nicht im Stall waren, bekam es auch Alix mit der Angst.
»Irgendwas sagt mir, dass ich Byzance nehmen und losreiten soll. Sitz hinter mir auf, Pierrot.«
Und während Pierrot sich hinter ihr aufs Pferd schwang, rief sie noch: »Wenn ich nicht bald zurück bin, sag Tania und Philippe, sie sollen zur Mühle gehen und dort nach ihnen suchen, Bertille!«
»Wenn sie zur Mühle gewollt hätten, hätten sie die Mulis doch nicht gebraucht«, murmelte Bertille.
»Wie auch immer, wenn es zu lange dauert, schick Landry auch noch in die andere Richtung los.«
Das Loireufer war kahl. Vergilbtes Gras und Sand reichten stellenweise bis zum Fluss. Das Herbstlaub leuchtete bunt, doch dann kam eine frische Brise auf, und Alix hatte das Gefühl, sie wollte ihr bedeuten, dass es für einen Spaziergang bereits viel zu kühl war.
Boote waren am Ufer vertäut und schaukelten leise auf dem Wasser. Die Fischer hatten früh am Morgen gefischt. Wahrscheinlich kamen sie später wieder, um Netze auf dem sandigen Flussgrund auszulegen.
Auf den großen Wiesen Richtung Kastanienwald blühten noch vereinzelt einige Sommerblumen, und sie mussten eine ganze Weile unter Weiden und Pappeln suchen, bis sie
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