Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
gehorchen. Sie hörte nur auf ihre Mutter und Bertille.
Zwei Tage nachdem sie ihre Stelle angetreten hatte, wollte Léone mit den beiden Mädchen einen Spaziergang an die Loire machen.
»Was haltet ihr davon, wenn wir ein bißchen frische Luft schnappen, Mädchen?«, sagte sie zu den Kindern. »Wir sollten das schöne Herbstwetter genießen – bald wird es Winter.«
Mathilde verzog das Gesicht, Valentine lächelte sie an, lief dann aber zu Nicolas, der ebenfalls keine große Lust auf einen Ausflug mit der Kinderfrau zu haben schien.
»Heute ist es so schön draußen! Es wäre ein Jammer, wenn wir den ganzen Tag im Haus blieben. Bertille, glaubt Ihr, dass wir zur Mühle gehen könnten? Wir könnten Kastanien sammeln und sie Eurer Mutter bringen.«
»Ich will nicht spazieren gehen, außer wenn wir Pferde anschauen«, sagte Mathilde.
»Aber, aber, meine Kleine!«, meinte die Bertille und gab ihr einen Kuss. »Du willst deine Schwester doch nicht ganz allein Kastanien sammeln lassen?«
»Wenn Nicolas mitkommt, ist sie nicht allein. Außerdem ist die ja dabei!«, sagte Mathilde verstockt und zeigte mit dem Finger auf Léone.
»Valentine bringt mir Kastanien mit und erzählt mir alles. Aber ich will nicht spazieren gehen. Mir gefällt es hier zu Hause gut.«
Sie umarmte die alte Magd mit ihren runden Ärmchen und drückte ihr einen dicken Kuss auf die runzlige Wange.
»Bei dir!«
»Komm schon, Mathilde, der Ausflug macht dir bestimmt Spaß«, versuchte es Léone noch einmal.
Das Kind warf ihr nur einen ungnädigen Blick zu, wovon sich Léone aber offenbar nicht die Laune verderben lassen wollte. Sie nahm Valentine an der Hand und meinte:
»Dann gehen wir eben zu zweit. Einverstanden, Valentine?«
»Ich komme mit«, erklärte Nicolas, der seinen Schützling nicht mit dieser Frau allein lassen wollte, der er noch nicht recht traute, auch wenn alle sagten, was für ein guter Mensch sie sei.
»Solltest du nicht zu Alix in die Werkstatt gehen?«, fragte Léone. »Ich dachte, sie wartet auf dich.«
Damit hatte sie recht. Seit Mathilde da war und die Zwillinge den ganzen Tag unzertrennlich zusammensteckten, hatten Alix und Mathias beschlossen, der Junge sollte lesen und schreiben lernen, ehe er seine Lehre in der Werkstatt begann.
»Nein!«, protestierte Nicolas. »Alix hat gesagt, ich kann mit dem Lernen warten, bis mein Papa wieder da ist.«
»Das mag schon sein, aber Valentine läuft dir ja nicht davon. Du siehst sie bald wieder«, mischte sich Bertille ein. »Alix wartet auf dich, und ich bringe dich mit Mathilde in die Werkstatt, weil sie keinen Spaziergang machen will.«
Valentine rannte zu Nicolas und gab ihm einen dicken Kuss auf den Mund. Das machten die beiden immer so und brachten die Erwachsenen damit zum Schmunzeln.
»Bringst du mir lesen bei, wenn du es gelernt hast?«
»Ja, klar«, versprach Nicolas, »und rechnen und schreiben auch.«
Mathilde runzelte die Stirn und ärgerte sich, weil sie das natürlich auch wollte.
»Und danach bringe ich es dir bei«, erklärte da schon Valentine, die alles mit ihrer Schwester teilen wollte.
Eigentlich war nun alles gesagt, aber Valentine, ihr Patschhändchen in Leónes Hand, drehte sich noch einmal zu Nicolas um und sagte:
»Die schönsten Kastanien schenk’ ich dir.«
Nicolas strahlte sie an. Wie sehr er den bewundernden Blick des kleinen Mädchens liebte! Er wusste aber auch, dass er nicht mehr die ganze Zeit mit ihr spielen konnte. Das ging schon allein wegen Mathilde nicht. Außerdem hatte ihm sein Vater erklärt, er müsse jetzt ein Mann werden und eine gebildete Person. »Ja, und ein großer Weber!«, hatte ihn Alix unterstützt, »klug wie ein Buchhändler und künstlerisch wie ein Maler.«
Kurz darauf kam Léone zurück, weil sie einen Mantel für die Kleine mitnehmen wollte, falls es sehr windig sein sollte.
»Lasst Euch nicht aufhalten, Bertille, geht nur schon in die Werkstatt. Und macht Euch keine Sorgen, ich sperre hinter uns zu.«
Als Bertille, Nicolas und Mathilde gegangen waren, nahm sie Valentines Hand und zog sie zum Stall.
»Wir nehmen die Mulis«, sagte sie zu dem verdutzten Mädchen.
»Ich will aber doch Kastanien sammeln!«, rief Valentine und ließ Léones Hand los. »Und ich will nicht reiten.«
Im Stall war kein Mensch. Léone seufzte erleichtert. Sie hatte befürchtet, dort Pierrot über den Weg zu laufen, der oft herkam, um Césarine zu streicheln oder Hector zu kitzeln. Léone holte Fougasse und Amandine aus dem
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