Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
Tag, noch in der Nacht. Ihr müsst immer sehr wachsam sein. Das ist der schwierige Teil Eurer Aufgabe. Den Rest übernimmt Bertille. Sie wäscht sie und zieht sie an und kocht für sie.«
»Einverstanden«, sagte Léone leise, »ich werde sehr wachsam sein.«
»Dann wird alles gut«, meinte Alix und erzählte, zufrieden über die unerwartet glückliche Wendung, weiter: »Valentine hat früher in einem Zimmer mit Nicolas geschlafen, aber jetzt ist er ja schon ein großer Junge, und wenn Ihr da seid …«
»Haben Eure Töchter nicht zusammen geschlafen?«, unterbrach sie Léone erstaunt.
»Das ist eine lange Geschichte. Vielleicht erzähle ich sie Euch später einmal. Im Moment möchte ich sie vergessen und die glücklichen Stunden genießen.«
»Das kann ich sehr gut verstehen. Alles geht so schnell vorüber.«
Alix nahm ihre Hand und drückte sie herzlich.
»So, und nun vergesst Ihr erst mal Eure Sorgen und Euren Kummer. Mir blieb auch nichts anderes übrig. Bei uns kann Euch nichts zustoßen, und Ihr werdet umsorgt. Ihr dürft nur meine Töchter nie allein lassen, nicht mal für einen Augenblick, sei er auch noch so kurz, außer wenn ich bei ihnen bin.«
»Seid unbesorgt. Ich weiche ihnen nicht von der Seite.«
Alix nickte zufrieden. Die junge Frau gefiel ihr. Sie wirkte zuverlässig und gutwillig. Ach, wenn sie die Zuneigung ihrer Töchter gewann, würde alles gut.
»Wenn Ihr eine Pause macht, müsst Ihr Euch immer von Bertille oder Tania ablösen lassen. Irgendwann mache ich Euch mit meinen Webern bekannt, aber das hat keine Eile. Nachdem Ihr nun bei den Kindern seid, arbeitet Tania wieder mehr in der Werkstatt.«
Léone nickte nur, und Alix fuhr fort: »Ich bin wirklich sehr erleichtert. Wenn Euch die Stelle bei mir zusagt, könnt Ihr sie haben. Ich heiße übrigens Alix.«
»Ich bin auch sehr froh, dass ich Euch gefunden habe. Endlich hat der Himmel mein Flehen erhört. Und es ist schon sehr lange her, dass mir das zuletzt widerfahren ist.«
»Seht Ihr! Manchmal ist einem das Glück eben hold.«
Léone seufzte erleichtert. Ihre Augen blitzten, aber sonst wirkte sie ruhig. Wenn sie erst ihre Schüchternheit überwunden hätte, würde sie bestimmt gut mit den Kleinen zurechtkommen, dachte sich Alix.
»Was wird Euer Mann sagen, wenn er zurückkommt? Glaubt Ihr, er ist einverstanden?«
»Ja, bestimmt. Außerdem sollte ich Euch vielleicht sagen, dass es meine Töchter sind, nicht seine. Und Nicolas ist sein Sohn.«
Alix zögerte. Ach was, wieso sollte sie erklären, dass Nicolas nicht ihr Sohn war? Das spielte eigentlich keine Rolle. Weil sie ihn aufgezogen hatte, war er auch ihr Kind. Alles andere zählte nicht.
»Aha, ich verstehe, Alix. Darf ich Euch Alix nennen?«
»Ja, natürlich.«
Sie bemerkte Léones fragende Miene, hatte aber im Augenblick keine Lust, weitere Erklärungen abzugeben. Das ging Léone eigentlich alles nichts an. Vielleicht später.
Mathias war noch immer nicht zurück, hatte aber inzwischen einen Boten geschickt, der Alix ausrichten ließ, dass er die Galanterien in den Pariser Werkstätten nicht entdeckt hatte und noch nach Brüssel reisen würde, um das Geschäft mit dem Kaufmann Emmanuel Riccio unter Dach und Fach zu bringen. Er empfahl seiner Frau, mit ihrer Reise in die Creuse bis zu seiner Rückkehr zu warten, weil man sich nun nicht mehr beeilen müsste, da der Teppich vermutlich ohnehin längst fertiggewebt war.
Seit sich Léone um die beiden kleinen Mädchen kümmerte, hatte sich Alix wieder konzentriert und mit großem Einsatz an die Arbeit gemacht, weil es in den Werkstätten nicht an Aufträgen mangelte und sie dafür sorgen musste, dass alle Flach- und Hochwebstühle voll ausgelastet waren.
Sobald sich die Zwillinge an ihre neue Kinderfrau gewöhnt hatten, wollte Alix sich wieder auf die Reise machen. Es war immer wichtig, neue Aufträge einzuholen, und nachdem Mathias anscheinend Flandern übernommen hatte, wollte sich Alix zunächst auf die nähere Umgebung beschränken.
Fürs Erste hielt sie sich jedoch an seinen Rat, nicht vor seiner Rückkehr nach Felletin aufzubrechen.
Es dauerte nicht lange, und Léone hatte die Herzen aller gewonnen. Besonders Bertille wurde nicht müde, ihre Geduld und Uneigennützigkeit zu loben. Nur Mathilde wollte sich einfach nicht mit der neuen Kinderfrau anfreunden, was Alix aber nicht
weiter zu beunruhigen schien. Während Valentine gut mit ihr zurechtkam, hatte ihre Zwillingsschwester beschlossen, ihr nicht zu
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