Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
kleine Familie d’Angoulême, die vor noch nicht allzu langer Zeit kein großes Gewicht in der Waagschale der Macht bedeutet hatte.
Mit der Krönung, den kirchlichen Zeremonien, der Vorstellung vor dem Volk und den schier endlosen Feierlichkeiten in Amboise hatte man die ersten Ruhmestage des jungen Königs gebührend eingeläutet. In schneller Folge gab es Bälle, Festgelage, Ritterturniere und Jagden; nun waren Soiréen und kleinere Feiern an der Reihe, zu denen man auch die – inzwischen geadelten – jungen Weber de Cassex geladen hatte.
»Jetzt möchte ich mein Versprechen einlösen, Alix«, sagte Louise, die endlich die strahlende Zukunft vor sich sah, nach der sie sich so sehr gesehnt hatte.
Sie wollte ihr Amt als Regentin ausüben, ihr diplomatisches Geschick entfalten und ihrem Sohn zur Seite stehen, der noch viel zu jung und unbesonnen war, um die Tragweite aller politischer Ereignisse zu ermessen. Marguerite würde ihr in Verhandlungen mit ausländischen Botschaftern eine Stütze sein. Louise wollte regieren, bis ihr Sohn alt genug war, um es selbst zu tun.
Mathias sagte nicht viel und hörte der Unterhaltung von Alix mit Louise und Marguerite zu. Der junge König hatte ihn eine Weile beobachtet, wandte sich jetzt an ihn und fragte freundlich: »Was haltet Ihr davon, wenn wir die Frauen reden lassen und uns Teppichen mit eher männlichen Themen zuwenden?«
»Ganz zu Euren Diensten, Sire!«
Zum ersten Mal im Leben hatte Mathias das Wort »Sire« in den Mund genommen und damit diesen jungen Mann angesprochen, der trotz seiner stattlichen Größe und seiner athletischen Figur eigentlich noch ein großer Junge war. Sire! Er war selbst erstaunt darüber, das Wort ausgesprochen zu haben. Als er aber François’ zufriedene Miene sah, begriff er plötzlich den verrückten Ehrgeiz, den Alix im Umgang mit dem Hofstaat entwickelt hatte.
»Wie wär’s mit den Triumphzügen eines mächtigen Königs, dargestellt auf einem historischen Ensemble, Sire?«
»Ein Cäsar schiene mir sehr geeignet«, schlug der junge König vor und zwinkerte vergnügt. »Was würdet Ihr davon halten, Maître Mathias?«
Maître de Cassex konnte er nicht sagen, weil das der Name von Alix war, aber Maître Mathias klang nicht schlecht, und er war offenbar ganz begeistert von seiner Idee.
»Zu ärgerlich, aber meine Frau stellt gerade ein entsprechendes Ensemble fertig.«
Und weil der König einen ausgesprochen freundlichen und leutseligen Eindruck auf ihn machte, trat er ganz ungezwungen zu ihm und flüsterte ihm ins Ohr: »Wenn ich nicht irre, ist es für Euch bestimmt, aber sie will nicht darüber sprechen, ehe es fertig ist. Gäbe es nicht vielleicht noch ein anderes Motiv?«
»Oh doch, eine große Wildschweinjagd zum Beispiel!«
»Ja, eine Wildschweinjagd vor großer Kulisse, Wasserfälle und Alabastersäulen, zwischen denen die anderen Tiere des Waldes Zuflucht gesucht haben.«
»Einige hübsche Sibyllen könnten einen Vorhang öffnen, der den Blick freigibt auf hängende Gärten«, schlug François vor.
»Und breite Bordüren mit romantischen Geschichten, zum Ausgleich für die grausame Seite der Jagd.«
In Mathias’ Phantasie nahmen die Teppiche bereits Gestalt an, und der junge Monarch beteiligte sich mit dem größten Vergnügen an den Ideen.
»Ich will kein Blut, das ist nicht nötig«, widersprach er lachend, »aber schöne Frauen mit glatter, weißer Haut – und leicht bekleidet. Könnt Ihr solch ein Meisterwerk für mich anfertigen?«
»Es wäre mir ein Vergnügen, Sire, und natürlich auch eine Verpflichtung!«
Jetzt hatte er zum dritten Mal »Sire« gesagt! Aber es war auch so ein schöner Wintertag mit blauem Himmel und der Aussicht auf ein glückliches Leben für den jungen Weber, der bis über beide Ohren verliebt war in seine Frau, die ihm gerade gestanden hatte, dass sie ein Kind erwartete.
Und auch François I. stand eine strahlende Zukunft bevor. Das Volk hatte einen jungen, starken, geistig und körperlich gesunden Mann gekrönt, der von einer klugen Mutter mit viel gesundem Menschenverstand unterstützt wurde, die ihren Sohn zu einem aufrichtigen und gerechten Menschen erzogen hatte.
Während sie sich mit Louise unterhielt, spitzte Alix die Ohren und flüsterte: »Wenn ich mich nicht irre, will François bei Mathias eine Arbeit in Auftrag geben. Ist das Euer Versprechen, Louise?«
»Aber nein«, winkte die Comtesse d’Angoulême ab. »François kann sich frei entscheiden und bei Eurem
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