Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
fort: »Ist Euch eigentlich gar nicht übel? Madame d’Aumont sagte mir, dass Ihr sehr viele Süßigkeiten nascht.«
»Schwangere Frauen haben besondere Gelüste«, antwortete Mary beinahe aggressiv. »Ihr müsstet das eigentlich wissen!«
Nun war Louise an der Reihe zu schweigen. Sie öffnete einen Vorhang, aber da rief Mary sofort: »Lasst das! Ich will es dunkel haben. Was nützt mir das Tageslicht, wenn ich doch nicht hinausdarf.«
Schnell zog die Comtesse d’Angoulême den Vorhang wieder zu und fragte: »Ist Euch gar nicht kalt?«
»Ich wünsche weder Feuer noch Fürsorglichkeit«, entgegnete Mary kühl. »Ich möchte lediglich, dass Ihr mich alleine lasst.«
»Seid doch nicht so ungnädig«, meinte Louise. »Sobald wir wissen, ob Ihr schwanger seid oder nicht, könnt Ihr gehen.«
Mary richtete sich auf.
»Und was werdet Ihr tun, wenn Ihr endlich wisst, dass ich schwanger bin?«
»Dann zeigen wir Euch wegen Ehebruchs an«, sagte Louise kühl.
»Ridiculous, it is ridiculous. Nobody in England will believe it and my brother will avenge me.«
Vor Wut hatte Mary unwillkürlich in ihrer Muttersprache gesprochen. Und sie war mehr als wütend, weil sie wusste, dass ihre Lüge sehr bald aufgedeckt würde. Trotzdem schien die Zeit überhaupt nicht zu vergehen, und sie hatte große Sehnsucht nach Suffolk.
Ihre hübsche rosa Zunge war aber auch jetzt noch in der Lage, eine gehässige Bemerkung loszulassen.
»Habt Ihr keine Angst, dass es in dem Fall das uneheliche Kind Eures Sohnes wäre?«
»Ich glaube eher, dass es sich um das uneheliche Kind Eures Geliebten Suffolk handeln dürfte.«
Mary beendete die Unterhaltung, und es kam zu keinen weiteren Auseinandersetzungen zwischen ihnen.
Auch wenn die Zeit allen lang wurde, musste doch keiner acht Wochen ausharren, weil Madame d’Aumont nach zwanzig Tagen mit einem Lächeln auf den Lippen die befleckte Wäsche einsammelte, die bewies, dass Mary nicht schwanger war.
Endlich hatten Angst und Schrecken ein Ende. Was blieb, war die Erinnerung an einen Alptraum, den man möglichst schnell vergessen wollte. Der Comte d’Angoulême, Duc de Valois, wurde als François I. König von Frankreich.
Nachdem aller Geduld so lange auf die Probe gestellt worden war, ließ der Triumph nun nicht auf sich warten. Und Louise und Marguerite mussten sich endlich keine Sorgen mehr machen, François könnte sich wegen einer Königin, die bald in ihre Heimat zurückkehren würde, zu kühnem Leichtsinn hinreißen lassen.
François’ bevorstehende Thronbesteigung wurde vom gesamten Hofstaat, von der Bevölkerung und von ganz Paris mit Begeisterung aufgenommen. Man jubelte dem schönen, starken und vornehmen jungen König zu und überhäufte ihn außerdem mit Elogen über seinen Mut und seine Tapferkeit.
Allein einige Parlamentsmitglieder waren besorgt, als sie sahen, welchen hohen Rang der neue König für seine Schwester bestimmt hatte. Marguerite war zwar erst dreiundzwanzig, aber von unbestrittener Anmut und Eleganz, und ihr kultiviertes Wesen sollte am Hofe Furore machen.
Einziger Wermutstropfen war die Frage, wie man Mary nach England zurückschicken konnte, ohne den Stolz von Heinrich VIII. zu verletzen. Wie ließe sich das geschickt anstellen, ohne die empfindlichen Engländer zu kränken?
Es gab verschiedene wohlgemeinte, eher unvernünftige oder auch undurchführbare Vorschläge dazu, bis Mary of York eines schönen Wintermorgens erklärte, sie wolle Suffolk heiraten.
Über diese Entscheidung waren die Franzosen sehr erleichtert. Das galt eigentlich auch für Louise, die aber immer noch entsetzt war von der Vorstellung, dass Mary ohne ihre umfangreichen
Vorsichtsmaßnahmen Frankreich womöglich einen englischen Bastard geschenkt hätte. Sie konnte sich nur beglückwünschen, dass sie so schnell reagiert und die Festsetzung der jungen Frau angeordnet hatte.
Guter und gerechter König! Jetzt war es an François I., nobles Verhalten zu beweisen, was ihm allerdings keinerlei Probleme bereitete; die Franzosen sollten bald feststellen, was für ein großzügiges Wesen ihr neuer König hatte.
Er gewährte seiner ehemaligen Rivalin Mary tausend Écus und eine Domäne in der Saintonge, die sie aber nicht annahm, weil sie es vorzog, nach England zurückzukehren und ihren geliebten Suffolk zu ehelichen.
27.
Hell leuchtete der Winterhimmel vom Widerschein der Freudenfeuer zur Krönung von François I. Und mit überschäumender Begeisterung feierte ganz Frankreich, so auch die
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