Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
der Stadt.
Louise hatte Boten zu dem Gasthaus geschickt, in dem François und seine fröhlichen Kumpane den Beginn des Jahres 1515 feierten.
In der eiskalten, mondlosen Nacht hatten die Pferde Mühe vorwärtszukommen und stolperten alle paar Schritte in dem von Stunde zu Stunde tiefer werdenden Schnee. Mit einer Hand hielten die Boten die Zügel, in der anderen flackernde Lampen, die der Sturm immer wieder ausblies.
Im Gasthaus »Zum goldenen Kreuz«, wo man für wenig Geld essen, trinken und schlafen konnte, feierte der Duc de Valois den Jahreswechsel.
Seinen geröteten Wangen und unsicheren Bewegungen nach zu urteilen war Bonnivet nicht mehr beim ersten Becher Wein, und Montmorency schien dem Rebensaft auch schon reichlich
zugesprochen zu haben und trank dauernd auf das Wohl Frankreichs. François war ebenfalls nicht mehr nüchtern und griff immer nach seinem Becher, wenn die hübsche Catherine vorbeikam und er sie zu einem Schluck auffordern konnte.
»Komm schon, Cathie, tauch dein hübsches Mündchen in meinen Schoppen und nimm ein Schlückchen von dem köstlichen Elixier.«
Catherine lachte. Es schmeichelte ihr, dass sich die gut aussehenden jungen Herren für sie interessierten. Um die strengen Blicke des Wirts kümmerte sie sich nicht groß; schließlich wusste sie nur allzu gut, dass er auf ihre Reize vertraute, um Kunden anzulocken.
»Und was ist mit meiner Arbeit?«, fragte sie lachend und entwand sich mit einer geschickten Pirouette Bonnivets Griff, »wer soll dann meine Arbeit machen?«
»Wir natürlich!«, brüllte La Marck und schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Ihr, Monseigneur! Seid Ihr denn auch fleißig genug?«
Als die Frage gerade mit schallendem Gelächter beantwortet wurde, riss jemand die Haustür auf, und ein Windstoß fegte die Eiseskälte von draußen in die warme Gaststube, ehe die Tür mit lautem Knall wieder zuschlug.
»Der König ist tot! Es lebe der König!«, riefen die drei Boten mit ihren weiß verschneiten Kapuzen.
Plötzlich war es ganz still. Aber die Stille war flüchtig und würde jeden Augenblick in befreienden Lärm umschlagen.
François war dann der Einzige, der seine Freude nicht herausschrie. Dafür war er viel zu gut erzogen. Seine Freunde aber hielten nicht an sich. Die Hysterie riss sie mit wie ein Sturm die Flut.
Bonnivet warf seinen Federhut in die Luft, fing ihn wieder auf und schwenkte ihn begeistert, wobei er einmal über den Tisch fegte und einen vollen Weinkrug vom Tisch riss.
»Es lebe der König!«, rief er, »der König lebe hoch!«
Im allgemeinen Freudentaumel war La Marck plötzlich aufgesprungen und hatte seinen Stuhl umgeworfen. Dann stürzte er sich auf François und umarmte ihn leidenschaftlich, was ihm Montmorency und Chabot sofort gleichtaten.
Catherine hüpfte begeistert herum und rief dauernd: »Es lebe der König!«. Diener und Köche stimmten in ihre Vivats ein, und der Wirt spendierte eine Runde für alle, während die Boten ihre verschneiten Pelzmäntel auszogen.
»Den heutigen Tag werde ich in meinen Memoiren festhalten«, erklärte La Marck wichtig. »Ich werde schreiben, dass François d’Angoulême, Duc de Valois, zwischen dem Ende des Jahres 1514 und dem Anfang des Jahres 1515 König von Frankreich geworden ist.«
»Es lebe François I.!«, rief Chabot, der ruhigste und offenbar noch am wenigsten betrunkene von den fünf Freunden.
»Danke, Philippe. Mach jetzt unseren drei Freunden Platz«, befahl ihm François. »Sie haben sich ein deftiges Essen verdient.«
Chabot, der auf der Holzbank hockte und auch nicht mehr ganz nüchtern wirkte, rutschte, um den drei Boten Platz zu machen.
Catherine kam wieder an ihren Tisch. Ihre Aufregung hatte sich allmählich gelegt. Bei jedem Schritt wiegte sie sich in den Hüften, und ihr enges graues Baumwollmieder ließ erahnen, welch schöner Busen sich darunter versteckte. Mit flinken Händen räumte sie die leeren Weinbecher vom Tisch, wobei ihr die drei Neuankömmlinge interessiert zusahen.
»Ihr seid ja noch ganz durchgefroren. Wollt Ihr Euch vor dem Essen aufwärmen?«, schlug sie ihnen vor.
»He he, schöne Catherine!«, rief Bonnivet, »wenn sich hier einer an deinem weichen Busen aufwärmen darf, dann bin das ich!«
Montmorency und La Marck klatschten sich vergnügt auf die Schenkel und grölten abwechselnd: »Wirt, bringt uns Wein!«
»Schon zur Stelle, Messeigneurs«, rief der kurzbeinige, dickbäuchige Gastwirt und kam mit frisch gefüllten Weinkrügen an ihren Tisch.
Weitere Kostenlose Bücher