Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
Marguerite d’Angoulême und Charles d’Alençon die Ehe noch immer nicht vollzogen. Sie mussten das Ende der Festlichkeiten und die Reiterspiele abwarten, ehe ihnen die innige Zweisamkeit gestattet war, an die Marguerite noch gar nicht denken wollte.
Stets in Begleitung ihres Geliebten, des Duc de Bourbon, hatte Louise seit Beginn der Hochzeitsfeierlichkeiten ein wachsames Auge auf Marguerite.
Doch auch an diesem kalten Wintermorgen, der den Schlosshof von Blois mit Raureif überzog, musste sie sich keine Sorgen über das Verhalten ihrer Tochter machen. Trotzdem konnte sie es kaum erwarten zu sehen, wie sich Marguerite mit dieser Situation arrangieren würde, in der sie mit ihrem ungekünstelten Charme und Anmut nicht nur dem Ansehen des Königshauses dienen, sondern vielleicht sogar der bescheiden auftretenden, schüchternen Claude zu mehr Geltung verhelfen konnte.
Marguerite jedenfalls verhielt sich nach wie vor tadellos. Mit ihrem Respekt heischenden selbstbewussten Auftreten und ihrer überragenden Bildung, die damals noch mehr zählte als Schönheit, war ihr die Bewunderung des Hofes sicher.
Wieder einmal spürte Louise, wie sehr sie ihre Tochter liebte.
In wenigen Tagen war es so weit, dass sie vom Mädchen zur Frau wurde. Ein Schauer ging durch Louise, als sie sich an ihre eigene Erfahrung erinnerte.
Wie hätte sie auch den Augenblick vergessen sollen, als man sie, unschuldig und ängstlich wie sie war, dem Comte d’Angoulême in die Arme geworfen hatte. Das würde sie niemals vergessen, auch wenn die Erinnerung daran inzwischen in weiter Ferne lag.
Viele Jahre waren seither vergangen, und eines Tages würde auch Marguerite wie eine erfahrene Frau handeln, wenn sie erst begriffen hätte, was das Leben von denen erwartet, die in der Liebe keine Wahl haben.
Der König hatte in der ersten Reihe Platz genommen, umrahmt von seiner Gattin und der jungen Braut. Er trug seinen mit Otterfell gefütterten Mantel, weil die Sonne nicht mehr genug Kraft hatte, die eisige Winterluft zu erwärmen.
Ab und zu hauchte er seine Fingerspitzen an, während er gespannt die Ritter beobachtete, die sich am anderen Ende des Spielfelds in Reih und Glied aufstellten.
Auch die Frauen waren warm angezogen. Sie hatten ihre dicken Hermelincapes umgehängt, um sich vor der durchdringenden, feuchten Kälte zu schützen. Trotzdem war man dem Himmel für das Wetter dankbar, denn die Kälte konnte man zur Not ertragen, während Regen oder Sturm an solchen winterlichen Festtagen äußerst ungelegen kamen.
Auf den vom morgendlichen Raureif überzogenen oberen Tribünenplätzen unterhielten sich François und seine Freunde sehr angeregt. Bonnivet rühmte lauthals Seigneur de Gordans, der das Burgund verteidigte, während François ein leidenschaftlicher Anhänger von d’Apremont war, der für die Farben der Valois ritt.
»Warte nur, Guillaume, du wirst schon sehen, wie dein Held
vom Pferd fällt. Er ist einfach zu klein. Sieh nur, er kann seine Hellebarde kaum tragen. Mit der wird er Schwierigkeiten haben, wenn er in die Bredouille kommt.«
Bonnivet klatschte aufgeregt in die Hände und lächelte gönnerhaft.
»Mag sein, dass seine Hellebarde etwas schwer ist, aber dafür hat er ein leichtes Pferd. Siehst du, wie es ungeduldig tänzelt, François? Das Pferd deines Favoriten ist viel zu schwer eingeschirrt. Daran wird er scheitern.«
»Sollte d’Apremont stürzen, will ich nicht mehr Graf von Angoulême heißen«, meinte François ausgelassen.
Dann wedelte er mit dem Arm und rief: »He, Robert, dein Bericht über das Turnier ist gutes Geld wert. Lass nichts aus, kein Detail, keinen Sturz, keinen entscheidenden Hieb.«
Robert La Marck, der junge Seigneur de Fleurange, saß ganz in der Nähe und schwenkte ein paar beschriebene Seiten.
»Keine Sorge, ich habe schon angefangen«, antwortete er mit erhobener Stimme, um die immer lauter werdende Geräuschkulisse zu übertönen.
»Wegen der Aufzeichnungen wird er sich diesmal vielleicht tatsächlich neutral verhalten«, spöttelte Montmorency.
»Gerade in meinen Berichten wird deutlich, für wen ich Partei ergreife«, gab La Marck zurück, der sich seine gute Laune nicht verderben ließ, »weißt du das immer noch nicht?«
Chabot, Seigneur de Brion, klopfte seinem Freund vergnügt auf den Rücken: »Also dann, folge deiner Inspiration, und ich werde meine Provinz verteidigen.«
Als sich der König erhob, hielten alle den Atem an. Doch als sich herausstellte, dass es falscher
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