Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
und wischte sich den Schweiß von der Stirn«, »es ist nämlich Dame Alix Cassex, die Ihr wohl schlecht draußen warten lassen könnt, nachdem Ihr sie erst eingeladen habt.«
Louise erhob sich und folgte dem Diener vorbei an den großen Tafeln, an denen es immer lebhafter zuging.
Dann fielen sich die beiden Frauen in die Arme.
»Ach, Alix! Wie ich sehe, habt Ihr meinen Brief erhalten.«
»Ja, Louise, und ich habe mich entschlossen, Eure Einladung anzunehmen.«
»Catherine Bohier hatte mir nämlich gesagt, dass Ihr nicht rechtzeitig zu der Hochzeitsfeier aus Italien zurück sein würdet.«
»Doch, Louise, ich bin schon seit über einem Monat wieder
in Lyon, aber – Ihr müsst entschuldigen – mir war nicht danach, auszugehen oder mich gar zu amüsieren.«
Louise nickte verständnisvoll, drückte Alix fester an sich und nahm ein paar tiefe Züge von der frischen Gartenluft, die durch die geöffneten Terrassentüren kam. Dann sahen sich die Freundinnen lange in die Augen.
»Ich kann mir vorstellen, wie traurig Ihr sein müsst, Alix. Schließlich weiß ich, wie sehr Ihr Sire Van de Veere geliebt habt.«
»Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht, Louise. Ich fühle mich müde und verdrossen.«
»Habt Ihr finanzielle Sorgen?«
»Nein, das nicht. Meine Werkstätten laufen gut, und ich habe aus Florenz neue Aufträge mitgebracht.«
Mit einem Seufzer sah sie ihre Freundin an. Louise war strahlend schön und sprühte nur so vor guter Laune. Dass sie ihre Tochter nun so glänzend verheiratet hatte, war für sie eine große Freude, und dass Marguerite außerdem in der Nähe ihres Bruders blieb – Alençon war nicht weit weg von Blois –, machte ihr Glück perfekt.
»Ich muss Euch noch etwas gestehen, Louise.«
»Nur zu«, sagte die Comtesse d’Angoulême erstaunt.
»Ich habe meine Tochter mitgebracht. Alessandro ist ihr Vater. Ich wollte sie in Florenz zur Welt bringen, damit Alessandro sein Kind von klein auf kennen sollte.«
»Das freut mich sehr. Fühlt Euch bei mir wie zu Hause. Ist sie denn gesund und munter?«
»Ja, Louise, sie ist sehr hübsch und zum Glück wohlauf. Und ich hätte mir so sehr gewünscht, dass er sie noch gesehen hätte.«
»Ist er vor ihrer Geburt gestorben?«
»Ja, er war einige Wochen davor aus Florenz aufgebrochen. Eines Tages erzähle ich Euch alles, aber jetzt will ich nur vergessen. Ja, ich will alles vergessen.«
»Nur zu, amüsiert Euch! Marguerites Hochzeit ist die beste Gelegenheit. Seid Ihr ein paar Tage unser Gast?«
»Zwei oder drei, länger kann ich nicht bleiben. Ich will an meinen neuen Teppichen weiterarbeiten. Ihr müsst sie Euch unbedingt ansehen. Ich bin sicher, sie werden François gefallen. Vielleicht sollte man ihm die nächsten Teppiche von meinen Hochwebstühlen zum Geschenk machen. Wohlgemerkt, es sind keine Millefleurs.«
»Gehen wir ein paar Schritte an die frische Luft. Ich glaube, das täte mir jetzt gut.«
Mit diesen Worten nahm Louise ihre Freundin am Arm und führte sie in den winterlich kahlen Park.
»Was sind das für Teppiche? Erzählt mir mehr davon.«
»Ja, gern. François d’Angoulême soll der erste Franzose sein, der solche Teppiche besitzt. Im Vatikan erfreuen sie sich bereits größter Beliebtheit.«
»Im Vatikan, sagt Ihr!«
»Ja, man nennt sie Grotesken . Der Maler, der die Vorlagen zeichnet, von denen ich einige mit seiner Signatur gekauft habe, ist der berühmte Raffael.«
»Von diesem Maler habe ich schon gehört. Hoffentlich kommt er eines Tages auch an den französischen Hof.«
Louise verlangsamte ihren Schritt und strahlte vor Freude.
»Ihr müsst mir schwören, dass Ihr die Teppiche keinem anderen anbietet und dass sie nur für meinen Sohn sind, Alix. Wie Ihr wisst, kann ich sie Euch dank der großzügigen Unterstützung König Ludwigs ohne Weiteres abkaufen.«
»Ich schwöre es, Louise. Auch ehe ich Euch davon berichtete, hatte ich nichts anderes im Sinn. Wem sonst sollte ich diese Wunder an Schönheit verkaufen, wenn nicht dem zukünftigen König von Frankreich? Bis sie fertiggestellt sind, möchte ich einige meiner Madonnen für Euch reservieren, die im selben Stil gewebt werden.«
Das glückliche, ja beinahe glückselige Lächeln, das ihr die Comtesse d’Angoulême schenkte, bewies, wie sehr sie sich über das Angebot freute.
Wegen der eisigen Kälte beendeten sie ihren kurzen Spaziergang und kehrten in den riesigen Festsaal des Schlosses zurück, wo noch immer gefeiert wurde, und man Alix einen Platz am
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