Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
Alarm war, wurde munter weitergeplaudert.
Hohe Würdenträger, Hofdamen und Hoffräulein, die Zofen der Königin, zu denen sich die von Louise gesellt hatten, Herren und Pagen traten nervös von einem Fuß auf den anderen, während sie sich unterhielten. Louise beobachtete die Ränge, die sich allmählich füllten, als sie zwei Gestalten sah, die sich eilig entfernten. Irgendwie hatte sie das Gefühl, es wären Charles d’Amboise und Alix gewesen. Eine Weile suchte sie die oberen Ränge ab, konnte Jeanne d’Amboise aber nirgends entdecken. Wo mochte sie nur sein? Entwickelte sich womöglich in ihrer Abwesenheit eine Romanze zwischen ihrem Gatten und Alix? Antoinette hatte ihr erzählt, dass sie die beiden am Vorabend gesehen hatte, als sie zusammen im Park verschwanden, und Jeanne hatte berichtet, dass er ihre Hand gehalten hatte. Allerdings war Alix kurz darauf im Stall erschienen, hatte ihr Pferd geholt und das Schloss verlassen. Und Charles d’Amboise war geblieben.
Vergeblich suchte Louise nach den beiden Gestalten, die sie aus den Augen verloren hatte, als ihr plötzlich einfiel, dass Catherine beim morgendlichen Frisieren neben allem möglichen anderen Klatsch und Tratsch erzählt hatte, dass verschiedene Gäste aus wichtigen Gründen abreisen mussten; unter ihnen wohl auch, wie sie sich jetzt erinnerte, die Duchesse d’Amboise.
Bei derlei Veranstaltungen erfuhr man immer jede Menge Neuigkeiten und Gerüchte und kehrte meist bestens unterrichtet nach Hause zurück.
Das einfache Publikum auf den unteren Rängen musste sich mit Holzbänken begnügen, was der guten Stimmung jedoch keinen Abbruch tat – erwartungsvoll wurde diskutiert und auf die verschiedenen Favoriten gesetzt.
Mit starrem Blick nach vorn drehten Wachen mit Hellebarden
ihre Runde. Ein Porte-Parole mit einem weiten blauroten Mantel um die Schultern und einem federgeschmückten Helm auf dem Kopf formte mit den Händen einen Trichter um seinen Mund und rief: »Es ist verboten, auf die Bänke zu pissen! Die Latrinen sind hinter dem Turnierplatz.«
»Wo, hast du gesagt, sind die Latrinen ?«, fragte ein mickriges Männchen und hielt sich grinsend den Bauch. »Ich glaub, ich muss meinen Banknachbarn sonst die Luft verpesten.«
»Wenn dein Gedärm verrückt spielt, wärst du besser zu Hause geblieben!«, rief ihm einer zu, woraufhin alle dreckig lachten und der Mann mit den Verdauungsproblemen sich bereits anschickte, seine dicken braunen Wollhosen runterzulassen.
»Halt, halt, guter Mann, so geht’s ja nicht!«, rief ein anderer und fuchtelte wild mit den Armen, um sich Geltung zu verschaffen, »hier müssen wir uns wie die vornehmen Leute benehmen.«
»Zeig ja nicht deinen nackten Arsch her!«, schimpfte eine dicke Händlerin, die gerade einen dick bestrichenen Brotkanten in ihren zahnlosen Mund schob.
Die besonders neugierigen Zuschauer hatten nämlich bereits im Morgengrauen einen Platz ergattert und verkürzten sich die Wartezeit mit Brot, Wurst und Käse.
Normalerweise war das einfache Volk zu solchen Veranstaltungen gar nicht zugelassen – Ritterspiele und Lanzenstechen waren dem Adel vorbehalten. Viele der Zuschauer hatten so etwas noch nie erlebt und würden es wohl auch nie wieder erleben. Kein Wunder, dass sie ihre hart erkämpften Plätze seit Stunden leidenschaftlich verteidigten.
»Wenn ich jetzt zu den Latrinen geh’, ist mein Platz garantiert weg«, jammerte der kleine Mann und hielt sich verzweifelt den Bauch.
»Ach was!«, meinte die dicke Händlerin und rülpste laut, »ich halt’ ihn dir solange warm.«
In diesem Stil wurde munter weitergescherzt, und der arme Mann, der für die Sauberkeit der Bänke zuständig war, hatte alle Hände voll zu tun.
Unter den adeligen Zuschauern sorgten andere, aber nicht unbedingt weniger pikante Themen für Unruhe. Es wurde hemmungslos geratscht und getratscht, man gab sich ausschweifend und hatte seinen Spaß an den schlüpfrigen Bemerkungen, die man im Vorbeigehen aufschnappte.
»Jetzt schaut Euch doch mal dieses Bürschchen an, diesen François d’Angoulême«, flüsterte Baronin de Bourdeille ihrem Nachbarn Bernard d’Ornezan zu, einem jungen Galeerenkapitän des Königs. »Gestern hat er noch ein Mädchen im Stroh in den Pferdeställen vernascht, und heute Abend hat er schon das nächste in seinem Bett.«
»Mir scheint, Ihr dichtet mal wieder, meine Liebe«, wies sie Baron de Bourdeille zur Ordnung.
Bernard d’Ornezon, Baron de Saint-Blancard, gerade mal zwanzig,
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