Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
bitte! Lauf weg, ehe es zu spät ist.«
»Willst du diesen Dreckskerl etwa noch verteidigen?«, schrie
Mathias zornig. »Wenn ich mich nicht irre, ist das dein Bruder, der dich da gerade skrupellos vergewaltigt hat!«
Außer sich vor Wut sah er sich nach Tania um, doch die kurze Unaufmerksamkeit sollte ihm zum Verhängnis werden. Wie ein Raubtier stürzte sich Théo auf ihn. Kämpfend wälzten sie sich am Boden. Eine Zeit lang war der beweglichere Théo im Vorteil, dann gewann mit Mathias wieder der Stärkere die Oberhand.
Weil der Kampf entschieden werden musste, ehe Tania Partei ergreifen konnte, und weil Théodore keine Skrupel kannte, hatte er plötzlich ein blinkendes Messer in der Hand und bohrte die Klinge seinem Gegner in den Bauch. Sofort zog er sie wieder heraus und sagte zu Tania, die ihn mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen anstarrte: »Du weißt, wo du mich finden kannst. Vergiss mich nicht, Tania. Ich warte auf dich.«
Dann schwang er sich auf sein Pferd und verschwand in einer Staubwolke.
Tania versuchte gar nicht erst, ihn zu verfolgen. Verzweifelt rang sie die Hände, weil sie nicht wusste, was sie tun sollte. Verantwortung übernehmen oder schnelles Handeln waren nicht ihre Sache. Trotzdem beugte sie sich hilflos über Mathias, der ausgestreckt auf dem Boden lag.
»Du hättest mit ihm fliehen können«, murmelte der. Man sah ihm an, dass er große Schmerzen hatte.
»Ich will Euch nicht im Stich lassen, Mathias, und ich will meinen Bruder nie wieder sehen.«
»Warum hast du mir nicht alles gesagt, als du mir verraten musstest, das andere Kind von Alix sei gestorben?«
»Ich weiß es nicht ... Ich habe mich so geschämt, und Alix ist immer so großzügig und gut zu mir.«
»Nach allem, was ich jetzt gehört habe, weißt du auch nicht mehr als ich.«
»Ja, das stimmt.«
»Ich sage dir jetzt, was wir machen.«
Er unterdrückte einen Schrei.
»Habt Ihr Schmerzen?«
»Ja, schon. Also – ich sage dir jetzt, was wir machen«, fuhr er fort und hielt sich mit beiden Händen den Bauch.
»Seid Ihr nicht zu schwach zum Reden?«
Vorsichtig nahm sie seine Hände. Sie waren voller Blut, und als sie ihre Hände auf die offene Wunde legte, spürte sie, dass er weiter Blut verlor.
»Ich muss reden, solange ich bei Bewusstsein bin, was sich sehr schnell ändern könnte.«
Er schob ihre Hände weg und drückte wieder selbst auf die blutende Wunde.
»Ich sage dir jetzt, was wir machen«, wiederholte er mit schwacher Stimme. »Es hat keinen Sinn, Alix unnötig Kummer zu machen. Sie hat so schon genug Sorgen. Diese furchtbare Geschichte, für die es im Augenblick keine Lösung zu geben scheint, würde sie dermaßen niederschmettern, dass die Seele unseres ganzen Unternehmens auf dem Spiel stünde.«
Wieder unterbrach ihn ein unterdrückter Schrei.
»Verdammt noch mal! Ich schwöre, dass ich dieses Kind finden und ihr auf einem Silbertablett präsentieren werde. Und dann wird Alix meine Liebe endlich erwidern. Willst du mir dabei helfen, Tania?«
Tania nickte nur heftig. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und ihre Hände zitterten.
»Schwöre es mir!«
»Ich schwöre es.«
»Wenn du lügst, bring’ ich dich um, Tania. Wage es nicht!«
Ermattet schloss Mathias die Augen. Seine Stimme wurde immer leiser; das Blut sickerte nur noch, aber Mathias lag in einer großen Blutlache.
»Nimm jetzt mein Messer, schneid’ ein Stück von deinem Rock ab und binde es mir, so fest du kannst, um den Bauch.«
Schnell tat sie, was er verlangt hatte, ohne länger über ihre Angst oder ihre eigenen Schmerzen nachzudenken.
Mühsam versuchte er sich aufzurichten, sank aber sofort wieder mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden.
»Nachdem ich weder aufstehen noch gehen kann und außerdem zu schwer bin, als dass du mich tragen könntest, musst du Leo oder Pierrot holen und mit einem Wagen wiederkommen.«
»Seid Ihr sicher, dass Ihr so lange durchhaltet?«
»Wenn ich nicht noch mehr Blut verliere, wird es schon gehen.«
»Ich glaube, ich habe die Wunde gut verbunden.«
»Dann geh jetzt und komm so schnell wie möglich wieder.«
Doch kaum wollte sie loslaufen, rief er sie zurück.
»Wo versteckt sich dein Bruder, wenn er nicht hier in dem Boot ist, Tania?«
Sie zögerte, schluckte, seufzte und sagte schließlich mit stockender Stimme so leise, dass er sie kaum verstehen konnte: »In einem leeren Getreidespeicher.«
»Wo?«
Diesmal antwortete sie, ohne zu zögern.
»Im Gerberviertel, ganz in der Nähe des
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