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Die Blumenweberin: Roman (German Edition)

Die Blumenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Blumenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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Hügeln.
    Vor ihren Augen wuchsen wilde Kräuter, die sie nicht kannte. Ganz andere Kräuter als am Ufer der Loire.
    Marguerite gab Attalante die Sporen und trieb sie, einem plötzlichen Impuls folgend, zu einem höllischen Galopp an. Sie hatte auf einmal das Gefühl, aus einem Gemälde fliehen zu müssen, dessen Bestandteil sie war.
    Inzwischen war es spät am Vormittag, kalt und weiß, und die Landschaft veränderte ihren Charakter. Lichte Wiesen und Felder machten dichten, finsteren Wäldern Platz.
    Auch der Himmel veränderte sein Aussehen und färbte sich milchig weiß, und ein kalter, feuchter Wind trieb leichte, graue Wolken vor sich her. Der Himmel schien die Landschaft in zwei Teile zu teilen, als wollte sich die Stadt von ihrer Umgebung loslösen. Nichts erinnerte Marguerite hier an ihre geliebte Touraine, in der alles so innig verschmolz.
    Eine reichlich ungewisse Kulisse also für unsere junge Herzogin, die sich in der Normandie zuhause fühlen sollte. Und ob sie sich nun gerade im Angoulême oder in der Touraine zuhause fühlte – nichts vermochte sie zu trösten. Sie war an den Anblick der rosafarbenen Dachziegel von Cognac gewöhnt, an den durchscheinenden
Himmel über Angoulême, wo sie ihre Kindheit verbracht hatte, empfänglich für die zarten Pastelltöne des Loireufers, und wollte sich unter keinen Umständen auf die tristen Farben hier einlassen.
    Nur die Gerüche verzauberten sie. Es duftete nach frischem Gras, Farnen und feuchtem Moos. Manchmal ertappte sie sich dabei, wie sie begeistert den Geruch von Raureif oder Frühlingsregen in sich aufsog.
    An den Hals ihrer Stute geschmiegt, Zügel und Peitsche fest in der Hand und dem Pferd die Sporen gebend ritt Marguerite bis zum Abend mit der Versessenheit, die sie von François gelernt hatte.
    Plötzlich glaubte sie die wilden und zärtlichen Worte zu hören, die ihr François gern zurief, wenn sie durch den Wald von Sologne galoppierten. Marguerite schmiegte sich noch enger an ihr Pferd und folgte dem Bruder gehorsam. Sie sprang über Hecken und Hindernisse, flog über die Wege, streifte den Boden nur noch, umrundete mit verhängten Zügeln Bäche und Teiche und beschmutzte ihr Kleid mit schwarzem Schlamm.
    Ihr wurde schwindelig. Die Nüstern ihres Pferds dampften, und es schwitzte schrecklich. Marguerite schloss die Augen und weigerte sich anzuhalten. Herrisch befahl ihr François, den wilden Ritt mitzumachen und sich nicht um den nassen Rücken ihres Pferds zu kümmern.
    Inzwischen hatte Attalante Schaum vor dem Maul. Als Marguerite vollkommen erschöpft zu einem Bach kam, verschwamm das Bild ihres Bruders und machte dem ihres Gatten Platz.
    Erschrocken hielt sie an. François trieb sie nicht mehr vorwärts, doch nun hatte Charles übernommen, wollte ihr vorschreiben, wie sie sich zu verhalten hätte, ihr einen Lebensrhythmus
diktieren, der von vornherein zum Scheitern verurteilt war.
    Taumelnd stieg sie vom Pferd und ging zu dem Bach. Attalante führte sie am Zügel. Mit schweißnassem Fell und dampfenden Nüstern wollte das Pferd von dem Wasser trinken.
    »Findet Ihr es nicht gefährlich, Euer Pferd von dem eiskalten Wasser trinken zu lassen? Ich habe schon erlebt, dass ein Pferd deshalb auf der Stelle tot umgefallen ist.«
    Marguerite sah sich nach der Stimme um und einem jungen Mann gegenüber. Er war groß und jung, hatte kastanienbraune Augen, und sein Gesichtsausdruck war treuherzig und selbstbewusst zugleich.
    »Natürlich, Ihr habt recht. Wie konnte ich das vergessen! Aber Attalante ist so durstig.«
    »Seht doch, ihre Nüstern dampfen schon nicht mehr so.«
    Marguerite strich Attalante über die Mähne. Aber die Stute hatte das frische Wasser gewittert, bäumte sich ungeduldig auf und wollte sich die liebevolle Berührung nicht gefallen lassen.
    »Gleich, meine Schöne, Geduld, Attalante! Nur noch ein kleines Weilchen, dann kannst du von mir aus den ganzen Bach austrinken, wenn du willst.«
    Aber die Stute wurde so unruhig, dass Marguerite das durstige Tier nur noch mit Hilfe des jungen Mannes vom kalten Wasser fernhalten konnte.
    Als sie sie endlich losließen, stellte sich Attalante in den Bach und trank gierig.
    Marguerite bemerkte den belustigten Blick des jungen Mannes. Sie lächelte ihn freundlich an, vermied es aber, seinen bescheidenen Aufzug genauer anzuschauen. Er hatte einen Mantel
an, der zwar gut geschnitten, aber so abgetragen war, dass er an den Säumen ausfranste.
    »Ich heiße Marot«, stellte sich der junge Mann mit

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