Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
Dichtern liebte und kaum etwas mehr schätzte als Spiele, Feste, Konzerte und Bälle. Man kann sich leicht denken,
dass sich dieser krasse Gegensatz im Laufe der Zeit noch verstärkte.
In den folgenden Monaten kokettierte Marguerite mit ihren eigenen Plänen. Ihrem Bruder mehr als ihrer Mutter schrieb sie von ihrem Bedauern darüber, dass das schweigsame Temperament ihres Gatten nicht sehr gut zu ihrem eigenen passte. Die Antwort ihres Bruders kam prompt. Er erinnerte sie daran, dass Château de Blois auch ihr gehörte und dass es nichts gab, was sie zwingen konnte, sich auf Château d’Alençon in der Normandie einsperren zu lassen – nicht einmal auf Wunsch von Charles d’Alençon.
Darüber war Marguerite sehr erleichtert und gönnte sich wieder endlose Ausritte in der Gegend um Alençon, während sie auf eine Einladung von François wartete.
Wenn ihr die düsteren Wälder in der Normandie auch nicht so gut gefielen wie die der Touraine mit ihrem magischen Licht und den vielen Teichen unter einem launischen Himmel, wollte sie doch wenigstens ihre verborgenen Geheimnisse entdecken.
In der Normandie waren die Wälder sehr dicht, niedrig und wildreich, und die Lichtungen, viel dunkler als im Wald um Sologne, wirkten manchmal fast beengend und erstickend.
Von ihrem Fenster aus betrachtete Marguerite den Morgenhimmel, der nicht wie so oft von eintönigem Grau war, was sich ihr aufs Gemüt legte, sondern sie mit einem verheißungsvollen Himmelblau anrührte.
Ja, es war ein ganz besonderer Morgen, denn Marguerite erwartete bald Gäste. Nachdem Charles d’Alençon vor dem Besuch seines Freundes hatte aufbrechen müssen, empfing Marguerite den Duc d’Amboise nun allein. Da sie aber auch Alix, die Freundin ihrer Mutter, eingeladen hatte, ihre Wandteppiche
an den Wänden des Schlosses zu bewundern, waren die Konventionen gewahrt. Übrigens hatte auch Charles d’Amboise, ein großer Verehrer der Webkünste, den Wunsch geäußert, sie zu besichtigen.
Marguerite rechnete täglich mit der Ankunft ihrer Gäste und fand, die Wartezeit ließe sich mit einem langen Ausritt in die Wälder angenehm verkürzen.
Prunelle rannte hinter ihr her die Treppe hinunter, die in den großen Empfangssaal führte. Vor dem Käfig mit ihrem Papagei Achilles blieb Marguerite stehen. Ihr Bruder hatte sich einen Spaß daraus gemacht, dem Vogel ein paar Wörter beizubringen. Seitdem sagte der Papagei nur noch: »Wann geht’s loss, Marrrguerrrite?«
»Bald, mein lieber Achilles«, sagte sie vergnügt und streichelte das seidige Gefieder ihres Vogels. »Aber erst kriegen wir Besuch von unserer Freundin Alix und von Seigneur d’Amboise und reden über alles, was mir am Herzen liegt.«
Der Gedanke versetzte sie in gute Laune. Sie würde schon dafür sorgen, dass sich ihre Gäste in Alençon wohlfühlten und blieben, bis sie sich selbst ins Val de Loire aufmachen konnte. Wie sie sich auf Blois und Amboise freute, auf ihren Bruder, den Hof mit seinen zahlreichen Vergnügungen, umso mehr als sich Königin Anne, die Abwesenheit des Königs nutzend, der bei seinen Truppen vor den Toren Mailands war, in der Bretagne aufhielt.
Dass ihr Gatte so plötzlich nach Mailand aufbrechen musste, hatte Marguerites Pläne auf den Kopf gestellt, was ihr aber im Grunde nur recht war. Charles d’Amboise, den sie in wenigen Tagen auf ihrem Schloss empfangen wollte, hatte sich den königlichen Truppen nicht anschließen müssen, konnte aber jederzeit
abberufen werden, wenn sich die Dinge zum Schlechten wenden sollten. Noch in den entlegensten Ecken des Landes sprach man von nichts anderem als den verhängnisvollen Folgen dieses Kriegs, der die Kassen Frankreichs leerte. Würde Louis XII. eines Tages doch noch triumphieren? Schließlich hatte man die Schlacht von Agnadello gewonnen, wo sich der junge Duc de Nemours so brillant geschlagen hatte.
Beim Gedanken an den Mann, in dessen Armen sie eine Ahnung davon bekommen hatte, was leidenschaftliche Liebe war, überlief Marguerite ein Schauer, den sie aber sofort unterdrückte. Die Aussicht auf den bevorstehenden Besuch begeisterte sie dermaßen, dass sie mit einem Schlag allen Kummer vergaß und beinahe fröhlich zu den Ställen lief und Philibert suchte.
Der junge Reitknecht war Marguerite auf Drängen ihrer Mutter in die Normandie gefolgt, genau wie der Kutscher Jean-Baptiste. Es hatte all ihrer Überredungskünste bedurft, und Louise hatte noch eine stattliche Belohnung aussprechen müssen, ehe die beiden
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