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Die Blumenweberin: Roman (German Edition)

Die Blumenweberin: Roman (German Edition)

Titel: Die Blumenweberin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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Brief:
    Liebe Louise,
     
    eben habe ich mich für die Nacht von Eurer Tochter verabschiedet, die mich bat, Euch Verschiedenes auszurichten. Vor allem verspricht sie, dass sie mit mir von Alençon aufbrechen und ins Val de Loire kommen will. Charles d’Amboise, der ebenfalls ihr Gast ist, reist dann zurück nach Chaumont, und ich verspreche Euch, dass ich Marguerite nach Amboise begleite. Außerdem soll ich Euch sagen, dass sie große Sehnsucht nach ihrem Bruder hat und es kaum erwarten kann, ihn in die Arme zu schließen.
    Eure Tochter scheint nicht besonders unglücklich zu sein, Louise. Allerdings ist sie viel auf dem Land unterwegs, weil ihr Gatte nicht zu Hause ist. Sie besucht einige Bauern und macht sich nützlich, bringt den Ärmsten Lebensmittel und spendet den Alten und Kranken Trost.
    Mir scheint, in den Augen der alten Herzogin ist das ein frommes und großherziges Alibi, um das Schloss zu verlassen und sich an der frischen Luft aufzuhalten, was sie ja so sehr liebt. Ganze Tage ist sie so mit ihrer Attalante unterwegs und kommt manchmal erst abends müde und zufrieden nach Hause. Wie es ihr geht, wenn der Duc d’Alençon bei ihr ist, kann ich Euch leider nicht sagen.
    Ihr wolltet von mir wissen, wie sie sich mit der alten Duchesse d’Alençon versteht. Ich würde sagen, nicht gut, aber auch nicht schlecht. Dafür ist Eure Tochter viel zu ausgeglichen, wie Ihr am besten wisst. Das soll aber nicht heißen, sie wäre gleichgültig. Auf keinen Fall! Das merkt man schon daran, wie sehr sie an der Einsamkeit anderer Menschen teilnimmt. Aber sie unterwirft sich auch nicht, das passt genauso wenig zum
Charakter Eurer Tochter. Und eines ist sicher, das hat mir Marguerite selbst anvertraut: Ihrem Mann will sie sich nicht unterwerfen. Wenn sie klug ist, wird sie ihm gegenüber offen und ehrlich, aber nicht unterwürfig sein.
    Heute kann ich nur kurz schreiben, meine liebe Louise, weil wir morgen einen großen Ausflug nach Mauves machen wollen, wo die Herzogin noch persönliche Besitzungen hat. Ich muss also früh zu Bett gehen, weil ich bei Tagesanbruch aufstehen will. Den Rest erzähle ich Euch, sobald ich bei Euch bin.
     
    Herzliche Grüße von Eurer ergebenen
Alix.
    Den jungen Clément Marot hatte Alix nicht erwähnt. Sie las den Brief noch einmal durch, versiegelte ihn und schlich sich in Charles’ Zimmer.

10.
    Während in der einen Werkstatt Mathias und Alix die Vorlagen für die Grotesken des Malers Raffael entwarfen, arbeiteten die anderen am Höfischen Leben . Arnold und Landry stellten gerade die Millefleurs auf dem Teppich Der Spaziergang fertig, und Philippe hatte mit Unterstützung des jungen Dumoncelle mit der Arbeit an der Musik begonnen.
    Wegen dieser Aufträge hatte die ehrgeizige Alix Cassex einige Zugeständnisse machen müssen. So traf sie Charles d’Amboise nicht nur immer, wenn einer der Teppiche für ihn fertig wurde, sondern auch jedes Mal, wenn es um die Bezahlung der kostspieligen Einkäufe von Wolle und Seide ging.
    Abgesehen von den Kosten, die bei der Herstellung der Teppiche für Schloss Chaumont entstanden, war sie sich über die emotionale Bedeutung dieser Beziehung im Unklaren. Mehr oder weniger heimliche Rendezvous! Flucht aus dem Alltag und doch mehr als nur ein Abenteuer! Machten sie diese seltenen Liebesnächte wirklich glücklich?
    Charles liebte es jedenfalls, sie auf seinem im Umbau befindlichen Schloss mit den immer höher werdenden Baugerüsten zu empfangen. Genauso wenig wie Alix war er dieser prickelnden, heimlichen und vergänglichen Leidenschaft überdrüssig, von
der beide wussten, dass sie mit der Vollendung des Höfischen Lebens ein abruptes Ende finden würde. Nein, Alix war noch nicht bereit, auf den Zauber zu verzichten, den Charles noch immer auf sie ausübte. Und der Duc d’Amboise war jedes Mal aufs Neue fasziniert von ihrer lebendigen, spontanen Art, von ihrer Neugier auf die kulturelle Entwicklung ihrer Epoche, von ihrem Fleiß und ihrer Liebe zur Arbeit. Doch auch wenn Alix in seinen Augen die Muse – und die Schöpferin – eines neuen Stils verkörperte, den eine komplette Verwandlung von Formen und Farben kennzeichnete, wie lange würde dieser neue Geist überdauern?
    Während Alix diese Frage sehr beschäftigte, schien sie den Herzog von Amboise weniger zu interessieren. Erst einmal sahen sie jedenfalls beide zu, wie die Mauern von Château de Chaumont in die Höhe wuchsen und nach und nach alles seinen Platz auf der großen Baustelle fand.

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