Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
wollt.«
»Es ist sehr bedauerlich, dass Euer Gatte so plötzlich aufbrechen musste«, unterbrach sie Charles. »Wie ich höre, hat der König einige seiner Feldherrn zu sich beordert.«
»Und ich weiß nicht einmal, wann er zurück sein wird. Deshalb könnte es gut möglich sein, dass ich mit Euch nach Amboise reisen werde.«
»Was hieltet Ihr davon, wenn wir Euren Ausritt gemeinsam fortsetzen?«, schlug Charles nun vor.
»Euer Gast hat recht«, mischte sich Alix ein. »Lasst uns zu dem Wäldchen dort hinten reiten.«
Kaum angekommen, bat Charles um eine Pause.
»Sie sei Euch genehmigt, Seigneur d’Amboise. Schließlich seid Ihr schon seit Morgengrauen unterwegs. Ruhen wir uns also ein wenig aus.«
Sie saßen ab, und endlich konnte Charles Alix’ Hand nehmen und küssen. Als er gerade auch Marguerite so begrüßen wollte, raschelte es hinter ihnen, und ein blonder junger Mann tauchte auf. Marguerite erkannte sofort sein treuherziges Gesicht und die samtbraunen Augen, mit denen er sie ansah.
»Ihr seid also noch in der Gegend, Clément Marot!«, rief sie überrascht. »Ich dachte, Ihr wärt auf dem Weg nach Blois.«
»Nein, noch nicht, ich wollte Euch wiedersehen.«
Marguerite wurde rot und stellte den jungen Mann ihren Freunden vor.
»Er ist der Sohn von Jean Marot, dem Hofdichter von Blois. Wir haben uns erst gestern kennengelernt.«
»Seid Ihr ebenfalls Dichter?«, wollte Charles wissen.
»Ja, leider, und ich lebe davon mehr schlecht als recht. Mein Vater ist berühmt, ich aber bin es leider noch nicht.«
»Euer Vater soll sehr schöne, wenn auch ein wenig gewagte Rondeaus schreiben, auf die der König ganz versessen ist«, sagte d’Amboise und taxierte den jungen Mann neugierig.
Er ist vielleicht sechzehn, höchstens achtzehn! Genauso alt wie die Duchesse d’Alençon. Charles sah sich nach Marguerite um. Ihre Wangen hatten Farbe bekommen, und ihre Augen strahlten. Das Erscheinen des jungen Dichters war ihr wohl sehr angenehm, und sie schien überaus empfänglich für seinen Charme.
»Gelegentlich verfasse ich auch solche Rondeaus wie mein Vater, aber nur um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. In Wirklichkeit habe ich ganz andere, neue Ideen, aber Königin Anne inspiriert mich nicht.«
»Wer könnte Euch denn inspirieren?«, fragte Marguerite.
»Ihr!« Und erschrocken über seinen eigenen Mut fügte er schnell hinzu: »Doch, ja, seit ich Euch kenne, inspiriert Ihr mich.«
Er nahm ihre Hand, und sie ließ sie ihm. Charles hatte nur auf eine solche Gelegenheit gewartet, um Alix auf den Hals zu küssen.
»Gehen wir ein paar Schritte und lassen die beiden allein«, sagte er leise.
Am Abend konnte Charles endlich die sechs mächtigen Teppiche aus Alix’ Werkstatt bewundern, die an allen vier Wänden des weiträumigen Empfangssaals ihre ganze Pracht entfalteten.
»Gibt es ein Wort, mit dem Ihr diese Wunderwerke beschreiben
könnt, Charles?«, fragte ihn Marguerite, noch immer sehr angeregt von der Gesellschaft des jungen Clément Marot. Der Dichter hatte sie offenbar sehr beflügelt. Alix fiel auf, dass sie den Duc d’Amboise sogar beim Vornamen ansprach.
»Da muss ich nachdenken«, meinte der. »Ich würde sagen, diese Wandteppiche sind majestätisch. Und noch ein Wort dazu, nein mehrere: Hier entdecke ich in jedem Detail die hohe Kunst der Teppichweberei, die ich auch auf meinem Ensemble Das höfische Leben wiederfinden möchte.«
»Was sind das für Teppiche, Alix?«, fragte Marguerite.
»Ein großer Auftrag, den Charles mir gegeben hat; wir sollen die Millefleurs von den Teppichen in meinen Werkstätten fertigstellen. Es sind sieben Szenen aus dem höfischen Leben. Sie haben mich so beeindruckt, dass ich mich bereit erklärte, sie fertigzuweben.«
Spät abends soupierten sie in Gesellschaft der alten Herzogin von Alençon, die nicht nur dem Herzog von Amboise die Ehre erweisen, sondern auch die junge und begabte Weberin kennenlernen wollte, von der ihr ihre Schwiegertochter schon so viel erzählt hatte.
Anschließend führte Marguerite Charles zu seinem Zimmer, und Alix äußerte den Wunsch, den letzten Brief von Louise zu beantworten, woraufhin ihr Marguerite Papier und Feder brachte.
»Bitte schreibt ihr, dass ich es kaum erwarten kann, sie wiederzusehen, und dass ich darauf brenne, meinen geliebten François ans Herz zu drücken. Und versprecht ihr, dass ich mit Euch nach Amboise komme.«
Allein in dem kleinen Bureau, das ihr Marguerite überlassen hatte, begann Alix ihren
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