Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
weg?«, fragte sie erstaunt und enttäuscht zugleich.
»Ja.«
»Mit Léo?«
»Ja, er kommt mit.«
Sie wirkte sehr verunsichert, und ihr Blick verstörte ihn. Aber
er ließ sich nicht aus dem Konzept bringen und begegnete ihr mit einem Selbstbewusstsein, von dem er wusste, dass es in sich zusammenfallen würde, sobald er allein war.
»Wo willst du denn hin?«, fragte sie und sah ihm weiter in die Augen.
»Nach Paris.«
Überrascht machte sie einen Schritt auf ihn zu und wollte seine Hand nehmen, überlegte es sich dann aber anders. Es sah ihm gar nicht ähnlich, einfach so zu gehen, ohne es ihr vorher gesagt zu haben und vor allem ohne dass es zwischen ihnen eine Auseinandersetzung gegeben hätte.
»Aber wir haben gar keinen Auftrag abzuholen und auch nichts auszuliefern.«
»Ich weiß, aber ich fahre trotzdem weg«, antwortete er kühl.
Alix’ Miene verdüsterte sich.
»Aha«, sagte sie. »Darf ich vielleicht wenigstens wissen, was du dann in Paris willst?«
Bertille kam mit der kleinen Valentine auf dem Arm und Nicolas im Schlepptau dazu. Der Junge machte genau so ein verdutztes Gesicht wie Alix.
»Warum muss Lilis ganz allein bleiben?«
»Weil diesmal ich wegfahre, Nicolas. Ich kann doch auch mal verreisen, oder nicht?«
»Jesus Maria!«, rief die alte Dienerin, »was wollt Ihr denn schon wieder in Paris?«
»Warum sagst du ›schon wieder‹, Bertille? War er denn schon öfter dort?«
»Genug jetzt«, fuhr Mathias dazwischen. »Ich werde ja wohl noch mal wegfahren können, ohne dass mir hier jeder im Haus
tausend Fragen stellt? Ich habe euch nichts zu sagen und nichts zu erklären. So einfach ist das – und jetzt gehe ich! Verdammt! Ich bin schließlich erwachsen und muss nicht erst fragen, ob ich etwas darf«, bellte er Alix an. »Als ich nach Paris musste, um während deiner langen Reisen die Arbeiten zu beaufsichtigen, die wir in Kommission gegeben hatten, hat auch kein Hahn danach gekräht.«
»Aber was ist denn nur mit dir los, Mathias?«, stammelte Alix ratlos.
»Bertille und du habt nicht über meine Pläne zu diskutieren, das ist los. Vielleicht komme ich in ein paar Tagen wieder, vielleicht aber auch erst in ein paar Wochen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
Er umarmte Nicolas und die kleine Valentine und küsste Alix flüchtig auf die Stirn.
»Bis bald«, verabschiedete er sich und eilte aus dem Zimmer und in den Hof, wo ihn Léo schon mit den Pferden erwartete.
»Mathias!«, rief Alix, die ihm nachgelaufen war.
Aber er war bereits auf den Wagen gesprungen, Léo zog an den Zügeln, und Mathias drehte sich nicht mehr um.
»Was ist denn nur mit ihm los?«, fragte Alix traurig.
»Was mit ihm los ist, willst du wissen?«, fragte die Bertille und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Es hätte jedenfalls schon viel früher so kommen können. Seit Jacquou tot ist, kommst und gehst du nach Belieben, hier eine Liebelei, da eine Affäre, erst findest du einen Florentiner, dann einen Herzog, und ich will gar nicht wissen …«
»Lass das, Bertille! Ich verbiete dir, über mich zu urteilen!«
»Und wenn schon, jetzt ist es ohnehin passiert! Ja, ich sage dir ins Gesicht, dass du schon seit Jahren merken müsstest, dass
dich dieser Junge mit Leib und Seele liebt und treu zu dir hält. Aber nein! Du suchst woanders nach Liebe und bringst sogar noch ein uneheliches Kind mit nach Hause.«
»Ich verbiete dir so zu reden, Bertille!«
»Du hast mir gar nichts zu verbieten. Dein Mathias will sich mal erholen.«
»Erholen! Aber warum?«
»Weil er müde ist.«
»Warum ist er müde, und warum will er dann weg? Hier ist doch seine Familie, sein Heim.«
»Eine schöne Familie, du dummes Ding! Er hat nur einen Sohn, dessen Mutter du nicht bist. Und das Beste von dir schenkst du ihm nicht.«
Bertille wurde immer lauter, sie hustete, verschluckte sich und lief vor Zorn rot an. Wenn sie erst in Rage geriet, vor Wut, Rührung oder warum auch immer, duzte sie Alix einfach, ohne darüber nachzudenken, welche Grenzen sie da übertrat.
»Ja, du bist nichts weiter als ein dummes Ding! Blind und überheblich vor lauter falschem Ehrgeiz. Bei meiner Seele! Du willst immer mehr, es muss immer noch besser sein, immer noch mehr ich weiß nicht was!«
»Aber …«
»Kaum kommt ein schon etwas in die Jahre gekommener Herzog daher, erliegst du seinem Charme. Hast du nichts Besseres zu tun? Dabei florieren deine Werkstätten, und die königlichen Aufträge zeichnen dich als eine der bedeutendsten
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