Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
Doch keiner von beiden wagte auszusprechen, dass Château de Chaumont wohl eines der ersten Renaissancebauwerke in Frankreich wurde.
Während dieser zwei Jahre hatte die junge Frau viel darüber nachgedacht, warum sie sich stets bedingungslos in eine neue Liebe samt allen dazugehörigen Turbulenzen stürzte. Ihr Unbehagen wuchs in dem Maße, indem sich Mathias von ihr zu entfernen schien. Er redete nur noch mit ihr, wenn sie sich in der Werkstatt begegneten, und dann ausschließlich über die Arbeit. Oft fehlte er sogar, wenn sich Alix, Julio, Angela, Pierrot und Tania zum Abendessen um den großen Esstisch in Alix’ Haus versammelten, und ließ sich stattdessen sein Abendessen von Bertille aufs Zimmer bringen.
Alix versuchte zwar erfolglos, sich aus dem Strudel von Gefühlen zu befreien, die Charles nach wie vor bei ihr auslöste, war
aber buchstäblich im Netz seiner zahlreichen Beziehungen zu großen Künstlern gefangen, durch die sie ihre Ideen vervollkommnen konnte, die sie aus Rom und Florenz mitgebracht hatte.
Was sie aber an dieser Beziehung wirklich störte, ohne dass sich etwas daran ändern ließ, war der Kontakt mit dem Webermeister des Herzogs, den sie nicht leiden konnte. Tatsächlich beanspruchte Maître Bellinois quasi den ganzen Ruhm an der Arbeit, indem er überall verbreitete, er allein trage die Verantwortung dafür, dass das anspruchsvolle Ensemble Das höfische Leben verwirklicht werde.
Für Alix kam diese Anmaßung einem Diebstahl gleich, weshalb sie im ersten Jahr bei der Arbeit an den Teppichen Das Bad und Der Spaziergang mehrfach kurz davor war, den Auftrag abzugeben. Nur mit viel diplomatischem Gespür gelang es Charles immer wieder, sie dazu zu bringen, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. Wobei Alix dann stets zu dem Schluss kam, dass ihr nichts mehr am Herzen lag als die Vollendung dieser Teppiche. So hatte sie dann auch bald die Arbeit an den Entwürfen für Das Lesen und Aufbruch zur Jagd aufgenommen.
Pierrot war mittlerweile ein guter Weber geworden, und Arnaude saß immer noch gern am Webstuhl vor ihren Millefleurs und freute sich, dass ihr Sohn Guillemin, zusammen mit dem jungen Dumoncelle, an seinem Meisterstück für die Gilde arbeitete.
Tania träumte zwar von anderen Aufgaben, wollte sich aber unter allen Umständen mehr um die kleine Valentine kümmern als Jeannette, die Amme, die ihr immer noch die Brust gab, und als die Bertille, die das Kind tagsüber nicht aus den Augen ließ. Kaum war sie jedoch einmal mit Philippe zusammen, der ihr
seine Liebe gestanden hatte, flüsterte sie ihm ins Ohr, dass sie eines Tages weben lernen wollte, nur damit sie in seiner Nähe bleiben konnte.
Die fertigen Teppiche, die Alix’ Werkstätten verließen, waren eine Zeit lang in ihrem Kontor im Val de Loire zu bewundern, ehe sie nach Brügge, Antwerpen, Brüssel, Florenz oder Rom geliefert wurden.
Nur die Arbeit am Höfischen Leben erwies sich als äußerst turbulent. Jedes Mal, wenn ihr Gerüchte über den unklaren Ursprung und vor allem die Fertigstellung dieses Ensembles zu Ohren kamen, erklärte Alix, dass sie die übrigen unfertigen Teppiche zurückgeben würde. Im gleichen Atemzug beschloss sie jeweils, endlich mit Charles zu brechen. Bisher hatte der den Ärger mit seinem Webermeister immer glätten können, diesmal aber hatte Alix keine Lust, sich wieder besänftigen zu lassen. Ganz im Gegenteil wollte sie den Streit jetzt sogar noch auf die Spitze treiben.
Das hatte einen einfachen Grund. Seit Alix wieder einmal gehört hatte, besagte Teppiche würden angeblich von Maître Bellinois, dem Webermeister des Herzogs von Amboise, gewebt, und die Gerüchte genau von den Leuten verbreitet wurden, die auch behaupteten, der Herzog habe finanzielle Schwierigkeiten, war sie ins Grübeln gekommen.
Tatsächlich schuldete ihr Charles eine Menge Geld. Ihr Geliebter hatte sie bisher nur für das Bad und für den Spaziergang bezahlt; die Bezahlung der Teppiche Musik und Lesen stand also noch aus.
Wie es hieß, hatte er bei Bankiers im Val de Loire Kredite beantragen müssen; eine unangenehme Sache, wie Alix aus eigener Erfahrung wusste, seit sie selbst damals Geld für den Aufbau
ihrer abgebrannten Werkstätten auftreiben musste. Gar kein Verständnis hatte sie allerdings dafür, dass man den Duc d’Amboise nun häufig in Begleitung der jungen Nichte des Bankiers Jacques de Beaune sah, der ihm die Summe vorgestreckt hatte, die Charles brauchte, um den Umbau seines Schlosses zu
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