Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
finanzieren.
Da die neue Geliebte, wegen der er seine Affäre mit Alix längst nicht beenden wollte, aus wohlhabendem Hause stammte, hatten sich Charles’ finanzielle Verhältnisse deutlich gebessert. Alix konnte sich lebhaft vorstellen, wie das schöne Fräulein ihrem alten Onkel ins Ohr flüsterte, Charles d’Amboise müsse unbedingt die Bauarbeiten an seinem Schloss fortsetzen, weil das eine ehrfürchtige Verneigung vor der Renaissance wäre, die schließlich alle französischen Seigneurs befürworteten.
Warum sollte das für Charles ein Problem sein? Er hatte eben eine neue und eine alte Liebe, weil er zu den Männern gehörte, die mehrere Frauen gleichzeitig und jede für das Neue, das sie ihm schenkte, lieben konnte. Allerdings musste er sich zum wiederholten Mal um den heftigen Streit kümmern, der zwischen seinem Webermeister und Alix ausgebrochen war. Was Alix jedoch sehr ungelegen kam, weil sie beschlossen hatte, bei der nächsten Attacke von Maître Bellinois hart zu bleiben. Ja, sie wollte sich mit allem Nachdruck zur Wehr setzen, falls der Weber bei seinen anmaßenden Behauptungen bleiben sollte.
Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, die Beziehung zu Charles zu beenden und ihn wiederzusehen, um über die Arbeit an dem Auftrag zu sprechen, gelang es Alix nicht, eine Entscheidung zu treffen. Weil ihnen aber die Arbeit nicht ausging und ständig neue Aufträge kamen, hatte sie zwei weitere
Webstühle gekauft, damit sie den Auftrag für den Herzog von Amboise möglichst schnell fertigstellen konnte.
Was die berufliche Seite betraf, so konnte Alix zufrieden sein und ihren Erfolg genießen, solange sie sich nicht allzu viele Gedanken über ihr Liebesleben machte, das leider so gar nicht mehr dem zu Zeiten ihres geliebten Jacquou ähnelte. Diese unvergessliche Harmonie aus Liebe und Begierde, Begeisterung und Leidenschaft für ihre Arbeit würde es kein zweites Mal geben. Nicht einmal Alessandro Van de Veere, den sie sehr geliebt hatte, hatte sie so glücklich machen können.
Nun zweifelte Alix an dieser ungezügelten Leidenschaft. Sie traute ihren Gefühlen nicht mehr und fragte sich, ob nicht doch Mathias ihr wahres Glück wäre, weil sie sicher sein konnte, dass seine Gefühle aufrichtig waren und sie seinen Sohn so liebte wie ihre eigene Tochter.
In dieser Nacht aber ertönten wieder Valentines Schreie, wie immer begleitet von Alix’ Alpträumen. Und auf jede dieser Nächte folgte ein Morgen mit den unvermeidlichen, stummen Fragen der Mutter, die den ganzen Tag kaum ein Wort herausbrachte und die unerfreulichen Vorkommnisse zu vergessen suchte, die sie mit schöner Regelmäßigkeit einmal im Monat um ihren Optimismus brachten.
Wenn Valentine einen ihrer mysteriösen Anfälle hatte, konnte sie nur Nicolas beruhigen. Auch der guten Bertille fiel dann nicht viel mehr ein, als Alix einen dampfenden Kräutertee zu bringen, den die wortlos trank, während sie ihre Tochter hilflos beobachtete.
Tania blieb bei Nicolas, solange er das Kind zu beruhigen versuchte. Kaum fing sie an zu schreien, sprang er aus dem Bett und lief zu ihr. Valentine schlug dann um sich, als würden unsichtbare
Hände nach ihr greifen und sie wegbringen wollen. Sie wehrte sich und schrie dabei laut. Dann nahm Nicolas sie auf den Arm und wiegte sie, sang ihr kleine Liedchen vor und flüsterte ihr zärtliche Worte ins Ohr.
Mathias wurde jedes Mal von Tania oder Bertille geweckt, wenn die Kleine einen Anfall hatte, stand bleich und ratlos dabei und wusste nicht, wie er helfen könnte. Also ließ er Valentine in Nicolas’ Armen und ging zu Alix und hielt ihre Hand, bis sie endlich wieder ruhig schlief.
Das war Alix aber nicht recht bewusst, weil Mathias sie immer verließ, ehe sie wach wurde. Zu aller Verwunderung lachte die kleine Valentine am Morgen danach stets wieder glücklich und zufrieden auf dem Arm ihrer Mutter.
Doch an diesem Morgen beschäftigten Alix weder die Sorgen um Valentine noch ihre Zweifel wegen Charles. Mathias kam zu ihr, gestiefelt und gespornt, und wirkte irgendwie bockig und besorgt zugleich.
Nein, Alix täuschte sich nicht: Mathias, der seit ihrer Rückkehr aus Italien kaum gereist war, machte sich wieder auf den Weg, so wie schon einige Male zuvor, nachdem sie zum ersten Mal aus Chaumont zurückgekommen war. Weil er aber erst aufbrach, wenn sie schon weg war, hatte sie seine Abwesenheit nur bei dem einen Mal bemerkt, wo sie kein Wort über den Grund seiner Reise erfahren hatte.
»Fährst du
Weitere Kostenlose Bücher