Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
sehn.«
Mathias öffnete den Geldbeutel, fischte ein paar Münzen heraus und ließ sie sofort wieder darin verschwinden.
»Wenn Ihr raufwollt, will ich zwei von denen da«, sagte sie und deutete auf das Geld.
Er lächelte und gab ihr die Münzen, ohne mit der Wimper zu zucken. Die Alte ließ ihn in eine Art Abstellraum, von dem es zur Treppe ging. Ein alter Strick musste als Geländer herhalten.
»Sie ist oben, die Tür ganz hinten. Ist sowieso nur eine.«
Die Tür, an die er jetzt klopfte, war in keinem besseren Zustand als die Haustür. Er wartete und überlegte, wie er Madame Béraude am ehesten überzeugen könnte. Dann hörte er Schritte, ein Riegel wurde zurückgeschoben, und die Frau, die er so lange gesucht hatte, stand plötzlich vor ihm.
Madame Béraude war eines dieser äußerst wandelbaren Wesen, die sehr sinnlich und verführerisch sein können, wenn sie wollen, aber auch abweisend und hart, wenn ihnen der angebotene Geldbeutel nicht dick genug erscheint. Wussten sie ein Mann zu umgarnen, waren sie hübsch und lasziv, fehlte es ihm aber an Takt und Bravour, wurden sie hässlich und feindselig.
Mathias war von der Situation überrumpelt und wusste nicht recht, was er sagen sollte. Irgendetwas musste er sich ausdenken und dabei aufpassen, dass er sich nicht verhaspelte oder seinen eigenen Interessen schadete. Er überlegte kurz, um dann auf seinen Verstand, sein Verhandlungsgeschick, seine Verführungskünste
und auf sein Geld zu setzen, in der Hoffnung, vielleicht doch siegreich aus dieser Schlacht hervorzugehen.
Sie bat ihn in ein großes Zimmer, das von mehreren kleinen Paravents unterteilt war, hinter denen sie offenbar etwas verbergen wollte. Es roch nach Wachs, Weihrauch und Flieder, eine seltsame Mischung, genauso unerwartet wie die vielen Seidenstoffe überall.
Er betrat den Raum und wunderte sich über den Luxus, den man in diesem eher heruntergekommenen Haus nicht erwartet hätte. Der Teil des Zimmers, den sie ihren Kunden präsentierte – Mathias war sich nämlich nun ganz sicher, dass er es mit einer Prostituierten zu tun hatte –, war mit einigen gewachsten und bemalten Holzmöbeln eingerichtet, zwei Sesseln und einem Sofa mit Samtbezug, zwei Fayencekandelabern rechts und links neben einem passenden Wasserkrug, einem großen Standspiegel und einem Korbstuhl mit einem Tischchen.
Das Bett konnte man hinter einem der Paravents erahnen, weil das Gestell ein Stück herausschaute. Hinter einem anderen befanden sich vermutlich Toilettentisch und Klosett.
Mit einer anmutigen Geste bedeutete sie ihm, auf einem der Sessel Platz zu nehmen. Mathias zog es vor stehen zu bleiben und sah sie unverwandt an, aber sie hielt seinem Blick stand.
»Offen gestanden will ich nicht mit Euch über Seigneur de Ruelles reden, weil es den gar nicht gibt. Ich dachte nur, es geht Eure Vermieterin nichts an, weshalb ich zu Euch will. Ich habe ihr zwei Sous gegeben; das sollte reichen.«
Sie wirkte weder erstaunt noch verärgert.
»Wenn es diesen Seigneur de Ruelles nicht gibt, weshalb wollt Ihr mich dann sprechen?«
»Das ist eine lange Geschichte.«
Sie kam näher. Ihre Augen verschossen grüne Blitze, grün mit etwas funkelndem Grau darin, und ihre Stimme wurde ernst.
»Wer seid Ihr?«
Mathias wusste, jetzt kam alles darauf an, dass er sich eine überzeugende Geschichte ausdachte.
»Ich bin Quentin de la Tournelle.«
»Und zu wem wollt Ihr?«
»Zu Madame Béraude Labailly.«
»Das bin ich.«
»Dann ist ja alles in bester Ordnung, nicht wahr?«, meinte Mathias lächelnd und wedelte mit der Börse an seinem Gürtel.
»Was sollte denn nicht in Ordnung sein?«, fragte das Mädchen und kam noch näher. »Wenn Euer Portemonnaie gut gefüllt ist, stehe ich Euch zu Diensten, mein Herr. Also, zieht Euer Wams aus, Messire de la Tournelle!«
»Ich würde mich lieber erst ein wenig mit Euch unterhalten. Das ist so meine Art: Ich rede viel und zahle gut.«
Mathias wusste nicht weiter. Wenn ihm nicht gleich der rettende Gedanke kam, würde das Gespräch ins Leere laufen. Dieses junge Ding, das Alix’ Kind geraubt hatte, um es einer vermutlich unfruchtbaren Frau zu verkaufen, machte ihm plötzlich Angst. Ein Monstrum von ungeahnten Ausmaßen musste in ihr wohnen. Er konnte nur noch daran denken, dass er sie ins Gefängnis bringen, bestrafen und für ihr schreckliches Verbrechen büßen lassen musste.
Doch für Rachegefühle war jetzt keine Zeit – hier ging es einzig und allein darum, so viel wie
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