Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
de Silly, Bischof von Sées, und das ist Madame de Saint-Aignan.«
»Gattin des Oberrichters von Alençon, meine Liebe«, ergänzte die üppige Blondine. »Wer war denn die Kleine, die Eure Kammerzofe gerade nach oben gebracht hat? Ist sie Eure Tochter?«
»Nein«, antwortete Marguerite. »Es ist ein kleines Mädchen, das wir im Wald von Mauves aus einer brennenden Kate gerettet haben.«
»Im Wald von Mauves!«, mischte sich der Prälat ein. »Es ist doch nicht etwa die Kleine, die die Frau des tapferen Försters nach dem Tod der Villeroy adoptiert hat?«
»Ja, genau die«, gab Madame de Saint-Aignan zur Antwort. »Soweit ich weiß, hatte eine ihrer Freundinnen, Roxane de Romaincourt, das italienische Waisenkind in ihre Obhut gegeben.«
»Dann ist sie jetzt zum zweiten Mal verwaist«, meinte der Prälat kopfschüttelnd. »Ich nehme an, Ihr werdet eine kleine Nonne für eines unserer Klöster aus ihr machen.«
»Das weiß ich noch nicht«, sagte Marguerite. »Zunächst einmal steht sie unter meiner Obhut, und meine Kammerfrau Catherine kümmert sich um sie. Alles Weitere wird man sehen.«
Nach einer Weile kam man auf die zahlreichen Prozesse des Oberrichters de Saint-Aignan zu sprechen.
»Wie heißt noch mal die Frau, die ihren Gatten getötet hat, weil er sie betrogen hatte?«, fragte Charles.
»Françoise de Néronville. Und sie wird mit Sicherheit nicht begnadigt.«
»Welche Strafe erwartet sie denn?«, wollte nun Marguerite wissen.
Nach kurzem Zögern gewann die provozierende Art der Frau von Saint-Aignan wieder die Oberhand, und sie sagte: »Sie wird natürlich gehängt.«
Madame de Saint-Aignan war groß, wohlgestalt und schön, aber irgendwie vulgär. Ihre blonden Haare waren nach Florentiner Art frisiert, und sie trug ein schwarzes Samtkleid mit einem gewagten eckigen Ausschnitt, der ihren üppigen Busen ungeniert zur Schau stellte.
Marguerite warf Charles einen prüfenden Blick zu. Zwar vermied er es, diese impertinente Frau anzusehen, wich aber auch ihrem Blick aus. Ihr Mann schien sich nicht wohlzufühlen, und sie war plötzlich überzeugt, dass er dieser Frau schon einmal unter anderen Umständen begegnet war. Madame de Saint-Aignan
versuchte seine Aufmerksamkeit zu gewinnen, aber Charles wandte den Blick nicht von Bischof de Silly.
Bellegarde wiederum war hocherfreut über den Zwischenfall, der ganz unverhofft die kurze Phase der Harmonie zwischen den beiden Eheleuten beendet hatte.
Weil sich Marguerite von dem Bischof beobachtet fühlte, sah sie ihn offen an. Er hatte einen Kopf wie ein Geier mit kleinen kalten, grauen Augen und einem Blick, der sie an ihren ehemaligen Lehrer, Marschall de Gié, erinnerte.
Marguerite musterte ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, und der scharfe Blick des Bischofs ließ wiederum nicht mehr von der herausfordernden Marguerite ab, der es offensichtlich großen Spaß machte, ein Spiel zu gewinnen, das sie in Alençon so sehr vermisste.
Während sie den Bischof mit ihrem bezaubernden Lächeln bedachte, entging ihr nicht, dass ihr Mann kurz davor war, die Nerven zu verlieren. Sollte sie ihn zwingen, ihr die geheimnisvollen Windungen seines verschlossenen Wesens zu offenbaren? Es gab noch so vieles an ihm, was ihr vollkommen fremd war.
Als Charles einsehen musste, dass er mit dem Bischof kein vernünftiges Gespräch führen könnte, weil der seine Gattin einer eingehenden Prüfung unterzog, bereitete er dem Blickwechsel der beiden ein abruptes Ende.
»Wir wollen morgen zeitig aufstehen, meine Liebe. Es ist schon spät«, erklärte er kühl.
»Da habt Ihr recht, mein Freund«, gab ihm Marguerite zur Antwort. »Im Übrigen möchte ich nachsehen, wie es unserer wundersam geretteten Kleinen geht.«
15.
Nach ihrer schrecklichen Auseinandersetzung herrschte eisige Kälte zwischen Alix und Mathias, und die Bertille musste einsehen, dass sie wieder nicht zueinandergefunden hatten. Sie redeten kaum noch miteinander, und wenn überhaupt, waren ihre Antworten einsilbig.
In der Werkstatt verlor Mathias kein Wort, und Alix vermied es nach Möglichkeit, ihn anzusprechen.
Pierrot, der mit ihnen unter einem Dach lebte, hatte längst begriffen, was sie quälte. Er wusste, dass Mathias Alix von Anfang an geliebt hatte. Auch als ihr Mann Jacquou noch lebte, kümmerte er sich um sie, als müsste er sie beschützen. Pierrot war derselben Meinung wie die alte Bertille: Alix hatte ihr Glück in der Ferne gesucht, obwohl sie es vor der Nase hatte. Erst war da der Italiener, den
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