Die Blumenweberin: Roman (German Edition)
Brüsseler Werkstatt anvertraut worden.
Seit sie sich aus dem Weg gingen, zog es Mathias vor, allein zu arbeiten. Auf seinen Hochwebstuhl war ein Teppich mit einem Motiv aus den berühmten Triumphen gespannt, Der Triumph der Stärke , das er selbst gezeichnet hatte. Die Anregung dazu stammte von einem berühmten Wandteppich, der in Flandern gewebt wurde und großen Erfolg versprach.
An besagtem Morgen kam Bertille völlig außer Atem, mit zerzausten Haaren und händeringend mit dem ebenfalls verstörten Léo im Schlepptau in die Werkstatt gestürzt.
»Die Kleine ist verschwunden!«, jammerte sie verzweifelt.
Alix griff sich an die Stirn und wurde auf einen Schlag leichenblass. Als sie zu Bertille lief, blieb sie an einem Tisch mit Modellen hängen, die alle auf den Boden fielen.
Die alte Haushälterin hatte so laut geschrien, dass es auch Mathias gehört hatte und angelaufen kam.
»Wann ist sie verschwunden?«, fragte er mit Angstschweiß auf der Stirn.
»Ich weiß es nicht. Als Nicolas aufgewacht ist, hat er mir gesagt, dass er Valentine nirgends finden kann«, lamentierte sie. »Ich habe schon das ganze Haus nach ihr abgesucht.« 10)
Sie konnte sich nicht länger zusammenreißen und brach in Tränen aus.
»Kommt! Wir müssen sie suchen«, rief Mathias, und zusammen mit der kopflosen Alix durchsuchten sie noch einmal das ganze Haus Zimmer für Zimmer, ohne das Kind zu finden.
»Wann ist sie gestern Abend eingeschlafen?«, fragte Mathias seinen Sohn.
»Kurz vor mir.«
»Hat sie irgendetwas Besonderes gesagt?«
»Nein. Wir haben noch ein bisschen gespielt. Und ich habe ihr die Geschichte von dem kleinen Fuchs erzählt, den keiner lieb hat. Sie hat gesagt, sie tut dem kleinen Fuchs bestimmt nichts Böses, wenn sie ihn trifft. Dann ist sie eingeschlafen.«
Mathias war ratlos, genau wie Alix, die immer noch fieberhaft suchte. Sie öffnete sogar Truhen und Kommoden in der Hoffnung, ihre Tochter könnte dort versteckt sein.
»Im Haus ist sie nicht, also müssen wir draußen suchen«, erklärte Mathias. Sie durften keine Zeit verlieren. »Léo, du nimmst Jason und suchst im Färberviertel. Ich nehme Césarine und suche in der anderen Richtung.«
Und an Pierrot gewandt, der ihnen erschrocken nachgelaufen war, sagte er: »Du nimmst dir die Straßen in der Stadtmitte vor. Wir dürfen nichts auslassen. Sie kann noch nicht weit sein, und wir müssen sie finden, ehe es Abend wird.«
Tania drehte sich nervös im Kreis. Auch sie war leichenblass. Philippe machte den Vorschlag, mit ihr die nähere Umgebung abzusuchen.
»Ich komme mit dir mit, Pierrot«, meinte Julio. »Zu zweit sehen wir mehr.«
»Zu dritt«, verbesserte ihn Angela und zog sich ihren warmen Mantel an, für den Fall, dass es spät werden sollte.
Bis zum Abend ritt Mathias, der Alix mit aufs Pferd genommen hatte, das Loireufer ab. Stundenlang suchten sie überall, um schließlich entmutigt und ohne irgendein Lebenszeichen – obwohl Alix wohl hundertmal nach ihr gerufen hatte – oder eine Spur von der Kleinen zurückzukommen.
»Ruh dich jetzt aus, Alix«, riet ihr Mathias. »Versuch ein wenig zu schlafen. Ich gehe zur Polizei und sage den Männern, dass sie nach Valentine suchen sollen. Komm mit, Léo.«
Wie gern hätte sie ihm dafür ein Lächeln geschenkt, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr. Mathias machte die Türe hinter sich zu und ging. Zum ersten Mal seit Langem hatte er ein paar Worte an sie gerichtet. Wäre da nicht die schreckliche Angst gewesen, hätte Alix ein Dankeschön gemurmelt. Aber nicht einmal dazu war sie in der Lage. Vor Entsetzen war sie wie erstarrt.
Während Mathias mit den anderen aufbrach, um die Suche in der Stadt und der weiteren Umgebung fortzusetzen, waren die Bewohner des Hauses an der Place Foire-le-Roi vor Sorge wie gelähmt.
Am Boden zerstört, weil es nicht den geringsten Hoffnungsschimmer gab, stand Alix noch einmal auf, schloss ihre Türe zweimal ab, warf sich auf ihr Bett und weinte hemmungslos.
Deshalb hörte sie kaum, dass Tania laut an ihre Türe klopfte und zusammen mit Bertille gegen die Wand hämmerte.
»Wir müssen die Tür eintreten«, sagte jemand. »Geh Landry holen, Tania, er hat mehr Kraft als wir.«
Kurz darauf warfen sich Landry und Arnold gegen die Tür und hatten sie im Nu auf.
Alix lag noch immer auf ihrem Bett und schluchzte.
»Lasst mich in Ruhe! Ich will niemand sehen.«
»Beruhige dich, mein Kind!«, rief die Bertille. »Tania redet die ganze Zeit wirres Zeug. Du
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