Die Blut-Loge
Du musst ihnen das Handwerk legen, hörst du! Tu es für mich und Jerome. Wir haben ihn doch beide geliebt. Das war das erste Mal, dass er mit seiner Schwester offen über seine Gefühle sprach.
Was soll ich denn tun? fragte Laura verzweifelt zurück und legte ihre Hände gegen das Glas, obwohl sie wusste, dass Leon sie nicht sehen konnte. Trotzdem spürte er ihre Anwesenheit und hörte ihre Gedanken.
Ganz egal, von mir aus spreng diese ganze Brut in die Luft, klang es wütend in ihrem Kopf.
Laura überlegte: Vielleicht ließ sich dieser Vorschlag umsetzen? Sie befanden sich doch hier in einer Klinik und eine solche war voller Chemikalien und davon waren einige mit Sicherheit brennbar. Alles, was sie tun musste, war, sich in einen der Medikamentenräume zu schleichen und … Aber halt, damit würde sie ja auch Leon töten.
Ihr Bruder hatte ihre Gedankengänge verfolgt. Er versuchte, zu nicken. Tu es, Laura, hörst du. Ich bin eh schon tot. Ich weiß nicht, womit sie mich betäubt haben, aber ich kann mich nicht mehr rühren. Lass nicht zu, dass sie von unserer Vernichtung derart profitieren! Ich wünschte nur, ich könnte dir helfen. Beeil dich, bevor diese Chance vertan ist!, forderte er sie auf.
Die junge Frau atmete tief durch, dann ging sie zu Tür, öffnete sie vorsichtig einen Spalt. Auf dem Flur war niemand zu sehen. Mit Hilfe ihrer vampirischen Kräfte huschte sie blitzschnell in einen der Vorratsräume und zog sich einen weißen Schwesterkittel über. Dann steckte sie ihre Haare hoch, so dass sie eine Haube aufsetzen konnte. Ihre Tarnung war fast perfekt. Sie nahm noch ein paar Packungen Verbandszeug und ging dann ganz normal wie eine der Angestellten die nüchtern-grauen Gänge entlang. Der Raum, den sie suchte, befand sich vor dem Eingang zum Laborflügel. Ein Gefahrstoffzeichen prangte in Augenhöhe mittig auf der Tür. Aber diese Tür war natürlich verschlossen. Verdammt! Die Angestellten hier mussten einen Schlüssel dafür haben. Eine der Laborantinnen kam gerade mit einem Tablett voller Serumproben aus dem Labortrakt, der mit einem Codeschloss gesichert war Frechheit siegt, dachte Laura und sprach die angebliche Kollegin einfach darauf an. „Entschuldigung, ich bin neu hier und habe noch keinen Schlüssel für diesen Raum. Wärst du so nett und…“
„Natürlich, halt das doch bitte mal.“ Dienstbeflissen drückte die kleine Blondine mit der starken Brille Laura das Tablett in die Hand und nahm ihren Schlüssel aus der Kitteltasche, um Laura die Türe zum Chemikalienraum aufzuschließen. In der Zwischenzeit gelang es der Vampirin, unbemerkt zwei der Reagenzröhrchen vom Tablett in ihre eigene Tasche zu stecken, auch wenn sie gar nicht wusste, um was es sich da genau handelte. Es war nur eine Ahnung, die sie dazu trieb. Sie bedankte sich bei der Kollegin, die ihren Weg mit den Proben eilig fortsetzte.
Laura atmete erleichtert auf. Das war einfacher, als sie gedacht hatte. Dann blickte sie sich um. Lange Regale aus Aluminium voll mit endlosen Reihen an Kartons, Verpackungen, Gläsern und Reagenzien türmten sich vor ihr auf. Neugierig las sie die Etiketten auf den großen Braunflaschen im unteren Regal: Chlor, Quecksilber, Brom, Methanol, Salpetersäure und, und, und. Die Auswahl war riesig. Sie versuchte, sich an den Chemieunterricht in der Schule zu erinnern, aber sie konnte sich einfach nicht konzentrieren. Jeder ihrer Gedanken war bei Leon, über dessen Schicksal sie gerade entschied. Selbst mit all ihrer Kraft konnte sie ihren bewegungsunfähigen Bruder nicht rechtzeitig aus dem Gebäude schaffen, wenn diese Chemikalien hier hochgingen. Es würde sich rasend schnell ausbreiten.
In der Zwischenzeit saß Ruben Stark eine Etage über der Laborstation bei einem Imbiss. Dieser Imbiss hieß Katie Staples und war Leons Krankenschwester. Die Kleine war ihm schon bei seinem letzten Besuch mit seinem Vater aufgefallen, besonders ihre langen Beine, mit denen sie bis eben vor ihm gekniet hatte. Um Laura machte er sich keine Sorgen, die würde nicht abhauen, solange er ihren Bruder in seiner Gewalt hatte. Also widmete sich Ruben mit Hingabe der kleinen Krankenschwester, die ebenso hingebungsvoll seine Aufmerksamkeiten genoss und ihm gerne ein wenig ihres Lebenselixiers schenkte.
In diesem Augenblick schrillten die Alarmglocken der Klinik. Aufgeregte Rufe drangen vom Flur her herein. Wütend ließ Ruben von seinem bereits geschwächten Opfer ab. In seinen schwarzen Augen loderte das Feuer einer
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