Die Blut-Loge
dunklen Vorahnung. Aber das war nichts gegen die Flammen, die bereits aus den geborstenen Fensterscheiben der Laborstation im unteren Stockwerk schossen. Dichter, schwarzgrauer Rauch verbreitete sich in Sekundenschnelle im und um das Gebäude.
Ruben ließ die bewusstlose Katie wie eine Puppe zu Boden fallen, rannte zum Fenster, öffnete es und sprang mit Elan in die Tiefe. Zwei Stockwerke tiefer kam er unverletzt auf den Füßen auf und betrachtete emotionslos die chaotische Szenerie um ihn herum. Das Labor war komplett zerstört worden, soviel konnte er auf den ersten Blick feststellen. Immer wieder hörte man im Inneren kleinere Explosionen, sah Stichflammen aus den Fenstern schießen. Die Leute, die dem Desaster entkommen waren, schrien und weinten, trösteten einander und versorgen gegenseitig ihre Wunden. Einige der Kollegen hatten es nicht geschafft. Das Flammenmeer hatte bereits das zweite Stockwerk angefressen.
Die Sirenen der Feuerwehr kamen unaufhaltsam näher. Menschen in weißen Kitteln rannten immer noch aus dem einst ebenso weiß gestrichenen Gebäude, welches das Feuer nun als Leinwand für seine Rußzeichnungen nutzte. Die ersten Notarzt- und Löschwagen trafen ein. Die Polizei sperrte das Gebiet sicherheitshalber weitläufig ab wegen der Chemikalien, die in die Luft gelangt waren, und evakuierte die nächstgelegenen Häuser. Einige Reporter und Schaulustige mischten sich unter die Angestellten des Labors. Alle liefen hektisch durcheinander.
Ruben Stark verzog sich in eine ruhige Ecke am Ende des parkähnlichen Gartens, griff zu seinem Handy und rief seinen Vater an, um ihn von der Katastrophe zu unterrichten.
„Überlebende?“, fragte dieser ganz sachlich nach einer kurzen Pause.
„Kann ich mir nicht vorstellen“, erwiderte sein Sohn.
„Dann überzeug dich gefälligst“, forderte Gabriel Stark ihn auf.
Ruben beobachtete die Umstehenden, aber er konnte weder Lauras noch Leons Gesicht in der Menge entdecken. Wie hätte letzterer auch entkommen können? Nein, es gab keinen Zweifel, die beiden mussten tot sein. Ein solches Feuer konnte kein Vampir überleben.
„Unmöglich“, sagte er dann. „Das Labor können wir vergessen.“
„Ich bin froh, dass ich der Loge gegenüber bisher nichts von meinen Plänen erwähnt habe. Allerdings gibt es schon neue.“ Mit diesen Worten legte Gabriel ohne weitere Erklärung auf. Aber Ruben kannte seinen Vater. Er tat nichts ohne einen Plan B. Und dieser war meist sogar besser als der erste. Den Verlust der Klinik konnte STARK Enterprises finanziell leicht verschmerzen, außerdem besaß man noch weitere Forschungseinheiten und war gut versichert. Und Menschenleben kümmerten sie nicht. Jeder war ersetzbar.
Laura Henning war gerannt wie noch nie zuvor in ihrem Leben, und zum ersten Mal war sie Ruben dankbar für ihre neu erworbenen Fähigkeiten, die sie mühelos ins Freie brachten, noch bevor der Feueralarm losging. Der Wachmann am Tor bemerkte nicht mehr als einen vorbeigleitenden Schatten. Von der Straße aus blickte sie noch einmal auf das brennende Gebäude. Dort war soeben ihr Bruder gestorben. Dabei war ihr durchaus bewusst, dass sie beide eigentlich schon tot waren und nur eine andere, dunkle Existenz führten. Laura wandte sich ab, als die ersten Löschzüge eintrafen. Sie musste erst einmal zur Ruhe kommen und nachdenken.
Die hübsche Vampirin erwachte in einem schäbigen Motelzimmer, als die Sonne bereits hoch am Himmel stand. Langsam kehrten die Erinnerungen zurück und ein Plan reifte in ihr. Suchend blickte sie sich um. Ja, die Reagenzröhrchen waren immer noch in ihrer Jeanstasche, unversehrt. Neugierig betrachtete sie die orangerote Flüssigkeit darin, die wie reifer Honig aussah. Sample 127JS stand mit schwarzem Stift von Hand darauf geschrieben. JS? Sollte das Jerome Summers bedeuten? Das andere Röhrchen war genauso gekennzeichnet. Das war also alles, was von diesem gut aussehenden jungen Mann und wunderbarem Künstler übrig geblieben war? Laura ahnte, dass es sich um das restliche Konzentrat aus Jeromes Blut handelte, aus dem das Serum gewonnen werden sollte, welches dann wie in der humanen Homöopathie verdünnt und potenziert werden konnte. Dies hier war wesentlich zähflüssiger. Je länger Laura auf die Reagenzgläser starrte, desto detaillierter wurde ihr Plan. Sie wollte Gabriel Stark mit seinen eigenen Waffen schlagen und – ihn töten.
„Ich hätte dich nicht so früh erwartet.“ Gabriel Stark blickte kurz
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