Die Blut-Prinzessin
aber konnte sie nur stehen bleiben und sich umschauen. Ihr Blick wanderte von einem Punkt zum anderen, und Suko, der sie genau beobachtete, tippte mich an und flüsterte: »Da stimmt etwas nicht.«
»Wie meinst du das?«
»Ich habe sie mir angeschaut, John. Ich habe immer mehr den Eindruck, dass sie Angst davor hat, dass wir etwas Bestimmtes entdecken.«
»Was meinst du damit?«
»Kannst du dir das nicht denken?«
Lange brauchte ich nicht zu überlegen. »Einen dritten weiblichen Zombie?«
»Zum Beispiel.« Nach dieser Antwort richtete Suko seinen Blick auf die zweite Tür. »Soll ich...?«
»Ja, ich denke schon.«
Die Frau hatte bemerkt, dass wir uns unterhielten. Sie stand zwar noch immer am Tisch, aber die hilflos anmutende Haltung war nicht mehr zu erkennen. Sie sah jetzt gespannter aus, was auch daran lag, dass die Frau ihre Handballen auf die Tischkante gestützt hatte, wie jemand, der sich abstemmen und durchstarten wollte.
Suko sprach den nächsten Satz bewusst recht laut aus. »Ich schaue mal nach, was sich hinter der Tür hier verbirgt.«
»Neiiinnn...!«
Ein schriller Schrei gellte durch den kleinen Raum. Die Frau schüttelte den Kopf. Urplötzlich war sie wie von Sinnen. Sie stemmte sich – wie ich es erwartet hatte – am Tisch ab und rannte mit flatterhaften Bewegungen auf Suko zu. Ihre Augen waren weit geöffnet, das Gesicht verzerrt.
Suko, der schon nach vorn gegangen war, erhielt von ihr einen Rammstoß. Einen Moment später klammerten sich die langen Finger an ihm fest.
Er blieb stehen. Die Frau zitterte und bebte. Sie flehte zugleich. »Bitte nicht. Sie dürfen die Tür nicht öffnen. Das dürfen Sie nicht, hören Sie? Dahinter lauert der Tod...«
Suko behielt die Ruhe. »Welcher Tod?«
»Sie... Sie... nein, Sie werden Ihres Lebens nicht mehr froh.« Sie hängte sich an Suko’s Schulter und versuchte alles, um ihn von der Aktion abzuhalten.
Suko winkte mir zu. Ich ging zu ihm und erlöste ihn von dem schreienden Anhängsel.
Im Schloss steckte der Schlüssel. Ich zog die Frau zurück, die sich noch immer nicht beruhigen konnte und um sich schlug. Sie war wie von Sinnen, ihr Kopf pendelte von einer Seite zur anderen, und wieder schossen Tränen aus ihren Augen.
Amos Durban war es leid. Er packte die Person und zerrte sie von mir weg. Dabei schüttelte er sie und schrie sie an, dass sie endlich Ruhe geben sollte.
Es war zu viel für die Frau. Noch mal hob sie die Schultern, dann sackte sie zusammen. Am Boden blieb sie hocken, die Hände vor das Gesicht geschlagen, weil sie nichts mehr sehen wollte. Sie war völlig aus dem normalen Leben gerissen.
Suko hatte den Schlüssel bereits gedreht. Er wartete noch, bis ich ihn erreicht hatte. So lange ließ er die linke Hand auf die Klinke gelegt.
Ich zog meine Beretta, denn ich wollte auf Nummer sicher gehen.
»Dann los!«
Suko drückte die Klinke nach unten. Mit einer schnellen und heftigen Bewegung zerrte er die Tür auf. Sie huschte dicht an meinem Gesicht vorbei, dann konnte ich einen ersten Blick in den kleinen Raum werfen, der offen vor mir lag.
Ich sah so gut wie nichts. Es war dunkel, und das lag daran, dass sich das einzige Fenster hinter einer schwarzen Decke verbarg. Nur an den Rändern sickerte etwas Licht hindurch, was aber nur wenig Helligkeit brachte.
Befand sich jemand in dem Raum?
Ja, erst beim zweiten Hinsehen entdeckten wir den Umriss einer hockenden Gestalt. Sie saß zwischen einem alten Bett, einer etwas größeren Waschgelegenheit und aufgetürmten Kartons, die erst dicht unter der Decke endeten.
Wir wussten nicht, wer die Gestalt war. Sie hätte normalerweise vor Schreck aufspringen müssen, so heftig hatte Suko die Tür aufgezogen. Genau das tat sie nicht, sie blieb einfach sitzen, als wäre sie irgendeine Plastik.
»Die Lampe«, sagte Suko.
»Keine Sorge, habe ich schon.«
»Okay.«
Er wartete nur darauf, dass ich sie einschaltete. Der scharfe Strahl durchbrach die Dunkelheit. Ich brauchte meine Hand nicht mehr zu schwenken, denn ich hatte sie so ausgerichtet, dass der Kegel direkt ins Ziel traf.
Es war das Gesicht einer Frau!
Und es war ein Gesicht mit toten Augen, dem leeren Blick einer lebenden Leiche...
***
In diesen Sekunden, die sich irgendwie hinzogen, bekamen wir Gewissheit. Auch diese Person, die vermisst war, gab es noch. Nur eben nicht mehr als lebenden Menschen, sondern als Zombie, weil sie in den Bann dieser Blut-Prinzessin geraten war.
Sie saß auf der Erde. Die Knie hatte sie
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