Die Blut-Prinzessin
angezogen. Trotz ihrer Veränderung sah ich in ihrem Gesicht eine gewisse Ähnlichkeit mit der Mutter. Es war die Tochter, die nun nach Hause zurückgekehrt war und von ihrer Mutter versteckt gehalten wurde.
Hatte diese Frau überhaupt gewusst, was sie da tat?
Die Augen schloss die Untote nicht; das Licht der Lampe konnte sie nicht blenden. Ich sah auch kein Zucken im Gesicht oder am Körper. Sie hockte einfach nur auf der Stelle und schien auf etwas zu warten.
»Also doch«, sagte Suko leise. »Da habe ich den richtigen Riecher gehabt.«
Ich gab ihm Recht, aber ich wusste in diesen langen Augenblicken nicht, was ich unternehmen sollte. Ich fühlte mich wie in einer gewaltigen Zentrifuge, die sich immer schneller drehte.
Ich trat der Untoten entgegen, während Suko an der offenen Tür seinen Posten behielt. Dass das Kreuz in meiner Tasche steckte, beruhigte mich. Lebensgefährlich würde es nicht werden.
Vor der Gestalt blieb ich stehen. Sie hatte sich noch immer nicht bewegt, doch nun erkannte ich, dass die Augen verdreht waren und sie in die Höhe schielte.
Sah sie mich? Roch sie mich? War es der Geruch eines Menschen, der sie leicht erzittern ließ? Erwachte jetzt die große Gier in ihr?
Sie kam mir vor, als wäre sie noch nicht erwacht. Ich beugte den Kopf nach vorn, weil mir etwas aufgefallen war. Keine Bewegung, kein Zucken, sondern der ungewöhnliche Geruch.
Ich versuchte ihn einzuordnen und kam zu dem Ergebnis, dass er leicht metallisch roch.
Blut?
Ja, so roch Blut. Metallisch und vermischt mit einem süßlichen Duft, der hier allerdings fehlte.
Die Tote trug ein grellbuntes Kittelhemd und helle Leggins. Ihr Haar war kraus und mit kleinen Spangen verziert. Die Hände lagen auf dem Boden, damit sie sich abstützen konnte, und der Mund war nicht geschlossen.
Kein Atem wehte mir entgegen. Sie wirkte wirklich mehr wie eine Puppe.
»Sie wartet noch, John.«
»Und worauf?«
Suko lachte leise. »Auf entsprechende Befehle, die sie von einer anderen Seite erhalten wird.«
»Okay, ich frage mich nur, wo sich die andere Seite genau aufhält.«
»Keine Ahnung.«
»Ob sie uns hinführen kann?«
»He, du willst sie nicht vernichten?«
»Das hatte ich nicht vor, denn sie kann für uns noch sehr wertvoll werden.«
»Und was willst du tun?«
»Erst mal warten. Ich kann mir vorstellen, dass sie in einen tiefen und für uns nicht eben natürlichen Schlaf oder eine entsprechende Starre gefallen ist. Ich gehe mal davon aus, dass sie auf einen entsprechenden Zeitpunkt programmiert ist. Wenn sie den erreicht, wird sie erwachen und losgehen.«
»Zu ihr?«
»Ich denke schon, und ich glaube auch, dass es nicht weit sein wird. Sie wird hier im Haus bleiben oder höchstens zu einem der Nachbarhäuser gehen. Nuba ist nicht weit entfernt, das sagt mir einfach mein gesunder Menschenverstand.«
»Also lassen wir sie in Ruhe?«
»Genau.«
Nach dieser Antwort zog ich mich bereits zurück. Suko stand nicht mehr allein in der Tür. Jetzt wartete Amos Durban neben ihm. Sein Gesicht wirkte wie aus Holz geschnitzt. Die Lippen lagen zusammen, und er schluckte einige Male.
»Wollen Sie das wirklich machen?«, flüsterte er.
Ich bejahte.
»Aber warum?«
»Das kann ich Ihnen sagen, Amos. Diese Unperson ist nicht die Letzte. Es existieren noch weitere drei. Sie haben von sechs verschwundenen Menschen gesprochen. Zwei sind vernichtet, eine befindet sich hier bei uns, also fehlen noch drei.«
»Das ist wohl richtig. Und wo wollen Sie die Verschwundenen suchen? Auch bei ihren Familien?«
»Es ist die beste Lösung.« Ich warf noch einen letzten Blick in das Zimmer und schloss die Tür wieder ab. Sie war nicht besonders stabil. Ich war sicher, dass der weibliche Zombie sie aufbrechen konnte, aber das würde eine Weile dauern. In der Zeit konnte man uns durchaus alarmieren.
Ich drückte Amos Durban den Schlüssel in die Hand.
»He, was soll ich damit?«
»Auf ihn achten.«
Er schaute ihn an und schüttelte den Kopf. »Und... ähm... was haben Sie beide vor?«
Ich lächelte den Kollegen an. »Während Sie hier in der Wohnung bleiben, besuchen Suko und ich die drei anderen Familien. Sie müssen uns nur noch sagen, wo sie zu finden sind.«
Amos schwieg und schluckte. Mein Vorschlag passte ihm nicht. So fragte er noch mal nach. »Wollen Sie das wirklich tun?«
»Ja.«
Beide wirkten wir entschlossen, und so nickte er und gab damit seinen Segen.
***
Wir hatten das Glück, dass die zweite Person, die wir suchten,
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