Die Blut-Prinzessin
uns hinter dem Kollegen auf, der kurz klopfte und sofort danach die Klinke drückte. Er wollte die Tür nach innen schieben, das gelang ihm jedoch nicht, denn sie war abgeschlossen.
Durban knurrte einen Fluch und schaute uns an. Er war gewillt, die Tür aufzubrechen, aber Suko riet ihm, es sicherheitshalber noch mal mit Klopfen zu versuchen.
»Okay.« Es war kein Klopfen mehr, sondern ein Hämmern mit der Faust. Das musste einfach gehört werden, und es wurde gehört.
»Ja, wer ist da?«, fragte eine schüchtern klingende Frauenstimme.
»Polizei! Öffnen Sie, sonst...«
»Ja, ja, ist schon gut.«
Wir hörten, dass der Schlüssel von innen gedreht wurde. Wenig später war die Tür offen.
Wir betraten einen Raum und sahen auch die Tür zum Nebenzimmer, die verschlossen war.
Geöffnet hatte uns eine ältere Frau. Eine Schwarze, deren Haut im Laufe der vielen Jahre eine graue Farbe angenommen hatte und so ihren lockigen Haaren glich.
Die Frau war zurückgewichen. Ich sah ein altes Waschbecken, eine Spüle, ein Fenster mit einer gehäkelten Gardine davor, einen halbhohen Schrank, eine Feuerstelle und natürlich eine Glotze. Einige Matratzen lagen auf dem Boden. Man wohnte und schlief hier, und es war sichtlich nicht nur eine Person, die diese Wohnung bewohnte.
Die ältere Frau trug ein geblümtes Kleid. Sie hatte Angst und war vor uns bis an den Tisch zurückgewichen, auf dem noch ein paar Teller mit Essensresten standen.
Suko und ich versuchten uns so locker wie möglich zu geben, nachdem wir die Tür geschlossen hatten. Ich konnte die Frau verstehen. Auch mir wäre unwohl gewesen, wenn ich so plötzlich Besuch von drei fremden Personen erhalten hätte.
Wir versuchten es mit einem Lächeln, aber die ältere Frau bewegte sich nicht.
Sie stand noch immer am Tisch, als sie die Frage unseres Kollegen hörte. »Du wohnst nicht allein hier?«
Sie nickte.
»Wo sind die anderen?«
Sie hob die mageren Schultern.
»Wo sind sie?«
»Weg!«
»Das ist keine Antwort. Ich will wissen, wer alles hier haust!«
Die eingeschüchterte Frau nickte sehr langsam. »Mein Mann und meine zwei Söhne. Sie gingen vor ein paar Minuten.«
»Okay, akzeptiert. Und was ist mit deiner Tochter?«
Die Frau senkte den Blick. Dann fing sie an zu weinen.
»Sie ist tot, nicht?«
»Weiß nicht...«
»Hast du nichts von ihr gehört, nachdem sie verschwunden ist?«
Auf diese Frage schwieg sie.
»Du kennst mich, nicht?«
»ja.«
»Und jetzt möchte ich von dir wissen, ob du in der Zwischenzeit etwas von deiner verschwundenen Tochter gehört hast. Hat sie dich angerufen? Hat sie dir auf andere Art und Weise eine Nachricht zukommen lassen?«
»Nein.« Die Frau zog die Nase hoch. Sie wagte es nicht, einem von uns in die Augen zu schauen.
»Warum sind dein Mann und deine beiden Söhne geflüchtet?«
»Sie sind gegangen.«
»Warum, verdammt?«
»Sie wollen Arbeit suchen.«
»Ach ja? Auf einmal?« Amos fing an zu lachen, während die ältere Frau ihre Hände faltete, als wollte sie beten.
Ich hatte sie beobachten können. Auf mich machte sie einen stark verängstigten Eindruck, aber ich ging nicht davon aus, dass sie nichts wusste.
Im Moment bewegte sie nur die Lippen, ohne dabei etwas zu sagen, aber sie bewegte auch die Augen und schaute in jede Ecke des Zimmers.
Amos Durban ging nahe an die Frau heran und legte zwei Finger unter ihr Kinn, sodass er es anheben konnte, jetzt war sie gezwungen, ihm in die Augen zu schauen, aber das wollte sie nicht, und deshalb schloss sie die Augen.
»Schau mich an, alte Frau!«
Sie tat es, zwinkerte dabei, und das Zittern ihrer Glieder war nicht zu übersehen.
»Kennst du Nuba, die Blut-Prinzessin?«
Da es still war, hatte er nicht laut sprechen müssen, und deshalb war auch der leise Laut des Erschreckens zu hören, der aus dem Mund der Gefragten drang.
»Du kennst sie, nicht wahr?«
Ihre Reaktion überraschte uns. Hastig streckte sie die Arme aus. Die Hände berührten unseren Kollegen an der Brust, den sie zurückstieß. »Geht, geht!«, rief sie dabei. »Sagt nicht ihren Namen! Die Götter werden auch euch strafen!«
Die Tränen in ihren Augen waren verschwunden. Dafür sahen wir sehr deutlich die Angst, die sich darin eingenistet hatte. Der Name Nuba war für sie der reine Schrecken gewesen.
Auch ohne eine direkte Antwort wussten wir Bescheid. Sie kannte die Person oder hatte zumindest schon von ihr gehört. Wäre es ihr möglich gewesen, sie hätte uns aus der Wohnung getrieben, so
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